Wie positionieren sich Kommunen im ländlichen Raum, die (noch) einen Dorfladen haben, das Betreiber-Ehepaar aber schon in wenigen Jahren das Renten-Eintrittsalter erreicht? Welche Rolle spielen Gemeinde und die einzelnen Bürger bei der Sicherung der Nahversorgung, der Lebensqualität und der Zukunftsfähigkeit kleiner Dörfer auf dem Lande? Die Einwohner haben es ein Stück weit selbst in der Hand! …. war eine der Antworten, die am 8. Juni in einer Bürgerversammlung der Gemeinde Ohne in Niedersachsen gegeben wurde.Die Gemeinde Ohne zählt gut 600 Einwohner, die idyllisch im nordwestlichen Niedersachsen nahe der Grenze zu NRW und den Niederlanden idyllisch leben. Das Flüsschen Vechte fließ durch grünes Weideland mit vielen schwarzbunten Kühen und Äckern. Ohne verfügt noch über einige Handwerksbetriebe und eine aktive Stützpunkt-Feuerwehr. Kindertagesstätte und Grundschule befinden sich in den Nachbardörfern. Im alten Dorfkern von Ohne dominiert der Kirchturm und zwei Gasthäuser mit kleinen Biergärten sorgen für ein besonderes Flair im Herzen der Gemeinde Ohne.
Zur Gastwirtschaft von Hermann Dreehus gehörte früher auch ein Colonialwaren-Laden, eine von mehreren Einkaufsmöglichkeiten in Ohne, um am Wohnort Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs einkaufen zu können. Heute haben die Ohner noch den etwa 100 qm großen Dorfladen von Johann Brüning und Frau, der am Ortskern, aber nicht an der Durchgangsstraße liegt. Für das kleine Ladenlokal müssen die Brüning´s Miete erwirtschaften, weil die Immobilie im Schatten der Kirche nicht ihr Eigentum ist. Die Lage ist für moderne Lebensmittelgeschäfte nicht unbedingt ideal, auch weil ausreichend Parkplätze im Umfeld fehlen.
Die Gemeinde Ohne befindet sich noch im Dorferneuerungsprogramm des Landes Niedersachsen und will sich fit machen für die Zukunft. Mit einer positiven Dorfentwicklung will Ohne attraktiv bleiben für junge Familien, die jüngste Generation, für Neubürger, ebenso wie für Senioren, die möglichst lange selbst bestimmt alt werden möchten in vertrauter Umgebung. Deshalb hat sich die Gemeinde Ohne vor wenigen Wochen auch für die Gesundregion und das Projekt Dorfgemeinschaft 2.0 entschieden.
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Bürgermeisterin Charlotte Ruschulte konnte am 8. Juni zahlreiche Einwohner zu einer weiteren Bürgerversammlung zum Thema „Sicherung der Nahversorgung“ begrüßen. Als Referent war Günter Lühning, Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden“ (BmD) in den Landkreis Grafschaft Bentheim gekommen. Zu den aufmerksamen Zuhörern zählte auch Friedhild Füser, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektbüros „Dorfgemeinschaft 2.0“ in Nordhorn.
Einzelnen Zuhörern erschien die Beschäftigung mit dem Thema „Dorfladen“ verfrüht, „weil wir ja noch einen Dorfladen haben“. Die Eheleute Brüning als Inhaber des jetzigen Dorfladens gaben aber zu bedenken, dass deren Renteneintritt unaufhaltsam näher rücke. In wenigen Jahren könnte Ohne also ohne Dorfladen sein – 8 km weite Fahrten bis ins Grundzentrum der Samtgemeinde Schüttorf wären die Folge.
So erging es den Einwohnern des Dorfes Otersen bereits im Jahre 2000, als die Schließung des letzten Edeka-Geschäftes aus Altersgründen für den 31.3.2001 angekündigt wurde. Die Einwohner im 500 Einwohner zählenden Otersen bei Verden (Aller) entschieden sich damals für „Eigeniniative statt Unterversorgung“ und gründeten einen Arbeitskreis, der sich um eine Nachfolge-Lösung bemühte. Sämtliche Versuche, einen Bäcker oder Lebensmittelhändler zu gewinnen, der den Edeka-Laden in Otersen als Filialbetrieb fortführt, scheiterten. „Uns blieb dann nur noch die Gründung eines Bürger-Ladens – oder „Weit entfernt“-Versorgung statt Lebensqualität im Dorf“, berichtete Günter Lühning.
Am 1.4.2001 wurde der Dorfladen „von Bürgern für Bürger“ in Otersen eröffnet. Inzwischen gibt es über 200 Bürger-Läden in ganz Deutschland. Günter Lühning nahm die Zuhörer in Ohne mit auf eine Deutschland-Reise und präsentierte den Klosterladen im 250 Einwohner zählenden Johannesbrunn sowie den Dorfladen im über 3.000 Einwohner zählenden Farchant in Oberbayern. Fortgesetzt wurde die „Bilder-Reise“ über Gleiritsch in der Oberpfalz, Hofstädten in Unterfranken, Klausen in der Moseleifel, Welbergen im Münsterland und Bolzum bei Hannover. Alle diese Bürgerläden hätten ein individuelles Konzept, seien multifunktional und auf die Bedürfnisse und Wünsche der jeweiligen Ortsbevölkerung ausgerichtet. Eine Kopier-Vorlage für Bürgerläden gäbe es ebenso wenig wie einen Garantieschein. Gut geplante und mit Bürgerengagement geführte Dorfläden hätten aber eine Zukunft, betonte Günter Lühning. Ob im Dorf mit 250, 600, 1.200 oder 3.000 Einwohnern: In jedem Fall haben es die Bürger immer selbst in der Hand. Jeden Tag stimmen die Einwohner mit den Füßen darüber ab, ob ein Lebensmittelgeschäft im Dorf eine Zukunft hat – und die Einwohner Lebensqualität vor Ort haben. Wer mit 40 nicht im Dorfladen einkauft, darf sich mit 70 nicht darüber beklagen, wenn es dann keinen Laden mehr im Dorf gibt“, betonte Lühning.
Nach dem Vortrag brachten es zwei Zuhörer auf den Punkt: „Wir sollten alle unser Einkaufsverhalten überprüfen und neu ausrichten“ und „Wenn jeder Einwohner wöchentlich für 20 € im Dorfladen in Ohne einkauft, dann bleibt uns die Nahversorgung erhalten und wir finden auch eine Nachfolge-Regelung, wenn Brüning´s in Rente gehen“.
Bürgermeisterin Charlotte Ruschulte machte deutlich, das genau das die Zielsetzung der Gemeinde sei. Mit Blick in die Zukunft ist bereits ein gut gelegenes Grundstück an der Durchgangsstraße gekauft und gesichert worden. „Hier könne ein Dorfladen neu entstehen – aber mit Brüning´s – nicht gegen sie“, so Charlotte Ruschulte und weiter: „Hier könne aber auch eine ganz andere Nutzung im Rahmen des Projektes Dorfgemeinschaft 2.0 realisiert werden“.
Das Dorfladen-Netzwerk Niedersachsen und die Bundesvereinigung multifunktionale Dorfläden („BmD“) hat der Bürgermeisterin und dem Projektbüro eine Kooperation mit „Dorfgemeinschaft 2.0“ angeboten und weitere Unterstützung in Aussicht gestellt. Friedhild Füser als wissenschaftliche Mitarbeiterin will in den nächsten Wochen mit Unterstützung der Bundesvereinigung eine schriftliche Einwohnerbefragung in der Gemeinde Ohne vorbereiten.