Bank-Geschäftsstelle in der Hosentasche und Bargeld an der Dorfladen-Kasse
Immer öfter werden bürgerschaftlich organisierte Dorfläden auch zu Bargeldauszahlstellen, um die Grundversorgung für die Menschen im ländlichen Raum nicht nur mit Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs zu sichern – sondern immer öfter auch die Versorgung mit Bargeld zu übernehmen. Grund für diese weitere Selbsthilfe-Einrichtung oder Notfall-Versorgung ist das Sterben der kleinen Bank- und Sparkassen-Geschäftsstellen insbesondere auf dem Lande aber auch in Stadtteilen.
Während Großbanken sich aus 30.000 Einwohner-Städten zurückziehen, sehen sich die Volks- und Raiffeisenbanken und die Sparkassen durch verändertes Verbraucherverhalten gezwungen, ihr früher dichtes Geschäftsstellen-Netz deutlich zu lichten und die Zahl der Geschäftsstellen zu reduzieren.
Es handelt sich dabei nicht nur um ein Sterben der Geschäftsstellen, sondern auch um ein Banken-Sterben. Die Zahl der eigenständigen Sparkassen hat sich von 832 im Jahre 1970 auf 409 im Jahre 2015 halbiert. Eine riesige Fusionswelle überrollte die Genossenschaftsbanken: Aus 7.096 eigen-ständigen Volks- und Raiffeisenbanken wurden bis 2015 nur noch 1021 – und mit dem Bankensterben reduzierte sich „aus Kostengründen“ auch die Zahl der Geschäftsstellen.
Laut Bundesbank-Statistik wurden in Deutschland 2005 noch 44.000 Geschäftsstellen von Kreditinstituten gezählt – elf Jahre später waren es nur noch 32.026 Geschäftsstellen von 1.888 selbstständigen Kreditinstituten. Aktuell sind es noch rund 30.000 Bankstellen und wenn eine Prognose einer auf Finanzdienstler spezialisierten Beratungsfirma Recht bekommt, gibt es bereits 2025 nur noch 20.000 Bank- und Sparkassen-Geschäftsstellen – nochmals ein Drittel weniger in nur sieben Jahren. Bevor eine Geschäftsstelle ganz geschlossen wird, verblieb in den letzten Jahren oftmals noch eine SB-Geschäftsstelle ohne Personal, dafür aber mit Kontoauszugdrucker und Geldautomat. Das scheint aber auch nicht zum Zukunftsmodell zu werden, denn der Betrieb von Geldautomaten ist insbesondere im ländlichen Raum bei zu wenigen Transaktionen auch nicht wirtschaftlich tragbar. Gut möglich, das auf Geschäftssstellen mit freundlichen Bankberatern und den
SB-Geschäftsstellen im Dorf in naher Zukunft zunehmend die Banking-App auf dem Smartphone folgt – als Bank-Geschäftsstelle in der Hosen- oder Jackentasche.
Der Rückgang der Lebensmittelgeschäfte – also das Sterben insbesondere der Inhaber-geführten Läden, die Schließung von Arztpraxen, Apotheken, Bäcker- und Fleischer-Fachgeschäften und eben das Sterben der dörflichen Bank-Geschäftsstelle führt immer öfter zu einem Kahlschlag in der ländlichen Infrastruktur – zum Nachteil der Lebensqualität der Menschen auf dem Lande und zum Nachteil der Umwelt, weil die Wege zum nächsten Arzt, zur Apotheke, zum Einkauf und zur Bank-Beratungsgespräch immer länger werden.
Parallel zum Rückgang der Lebensmittelgeschäfte von 160.000 (1970) auf rund 38.000 Geschäfte in 2016 begann vor etwa 20 Jahren eine Gegenbewegung. Immer öfter gründeten engagierte Dorf-gemeinschaften „Dorfläden von Bürgern für Bürger“ als Selbsthilfeeinrichtungen. Die Zahl dieser Bürgerläden steigt Jahr für Jahr kontinuirlich auf rund 300. Weil auch die Dorfgasthäuser reihenweise aus Altersgründen geschlossen werden, wird in immer mehr Dörfern vom Dorfladen als Begegnungs-stätte der Menschen auf dem Lande gesprochen. Dorfläden mit kleinem oder größeren Café sind DORFbegegnungsLÄDEN und aufgrund des vielfältigen Dienstleistungs- und Service-Angebotes wahre Multi-Talente. Unterm Dorfladen-Dach vereinen sich Lebensmittel-Einzelhandel, Café, Post- oder Paketshop-Agentur, Lotto-Schalter, Bio- und Regionalwaren-Laden – und immer öfter auch Bargeldauszahlstelle.
In einem niedersächsischen Dorf wurde vor einigen Jahren nach insgesamt 80 Jahren die Bank-Geschäftsstelle, zuletzt nur noch wenige Male in der Woche halbtags geöffnet, aus Kostengründen geschlossen. Einen Tag später wurde im Dorfladen eine Bargeldauszahlstelle eröffnet. Mehrere hundert Euro waren täglich je Kunde per Kundenkarte und Gemeinzahl per Karten-Terminal an der Dorfladen-Kasse kostenfrei verfügbar – an sieben Tagen und bei 53 Stunden Geschäftszeiten insgesamt pro Woche. Kalkuliert waren 900 Bargeld-Abhebungen im Jahr und wöchentlich eine Bargeld-Lieferung aus der Bank – tatsächlich waren es rund 2.000 Bargeld-Verfügungen gleich im 1. Jahr – aber weniger als 1 Bargeld-Lieferung pro Monat – weil die normalen Bargeld-Einnahmen
durch den Lebensmittel-Verkauf fast ausreichten – um die Bargeld-Wünsche der Dorfladen-Kunden zu erfüllen. Nach einigen Jahren erfolgreichem Betrieb kündigte die Bank diesen Bargeldauszahl-Service aus rechtlichen Gründen – leider.
Die Dorfladen-Kunden mochten den beliebten Service aber nicht mehr missen und so beschlossen die Mitglieder des Dorfladen-Vereins, den Bargeld-Service auf eigene Kosten fortzuführen. Aller- dings hat das seinen Preis. Die Grundgebühren und die Transaktionskosten pro Verfügung und entsprechend des Bargeldumsatzes belasten nun die Gewinn- und Verlustrechnung des Dorfladens – immerhin mit knapp 800 € in 2018 für 1.917 Transaktionen am Karten-Terminal an der Ladenkasse.
Nach den für den Einzelhandel gültigen Regeln des Zahlungsdienstegesetzes dürfen maximal 200 € verfügt werden. Voraussetzung ist, das für 20 € Warenwert – neuerdings für mindestens 10 € –
eingekauft wurde. Schließungen von Bank-Geschäftsstellen auf dem Lande führen immer öfter zu „Cashback“-Angeboten im Handel und auch im Dorfladen vor Ort. In der Oberpfalz wird gerade eine Raiffeisenbank-Filiale geschlossen und der örtliche Dorfladen von Bürgern für Bürger erwägt, den Cashback-Service anzubieten. So werden die multifunktionalen DORFbegegnungsläden immer öfter zum „Fels in der Brandung“ ländlicher Grundversorgung, um den Einwohnern in den Dörfern
Lebensqualität und Zukunftsperspektive zu erhalten.