Im Jahre 2000 begann der heutige Vorsitzende der Dorfladen-Bundesvereinigung sich mit bürgerschaftlich organisierten Dorfläden zu beschäftigen. In einem neuen Interview für die Medien berichtet Günter Lühning über Dorfladen-Gründung, Nahversorgung statt Weit entfernt-Versorgung und fordert vom Bund eine besssere Unterstützung, endlich die passende Rechtsform und auch die Gemeinnützigkeit für Selbsthilfeeinrichtungen, die Lebensqualität und Infrastruktur für die Menschen auf dem Lande sichern.Was war im Jahr 2001 der Anstoß zur Gründung des Dorfladens in Otersen und wie hat sich dieser aus Ihrer Sicht inzwischen entwickelt?
Im Sommer 2000 teilte mir die 67-jährige Inhaberin des letzten Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäftes mit, dass sie am 30. März 2001 aus Altersgründen den kleinen Edeka-Laden schließen wolle. Als verantwortungsbewusster Kommunalpolitiker habe ich damals Aktive aus allen Alters- und Berufsgruppen für einen Arbeitskreis geworben. Wir haben über die wahrscheinlichen, negativen Folgen für die Lebensqualität in unserem Dorf „ohne Laden“ beraten und über Alternativen nachgedacht. „Eigeninitiative statt Unterversorgung“ wurde zu unserem Leitmotiv. Nach drei Bürgerversammlungen und vielen Arbeitskreis-Sitzungen haben wir am Nikolaustag 2000 unsere Dorfladen-Gesellschaft mit 63 Anteilseignern und 103.000 DM Eigenkapital gegründet.
Wir haben den „alten Laden“ gemietet, modernisiert und am 1. April 2001 als „Dorfladen – von Bürgern für Bürgern“ mit 140 qm Ladenfläche eröffnet. Nach 10 Jahren in gemie-teten Räumen haben wir im April 2011 in unserer Vereins-eigenen Immobilie den neuen, größeren Dorfladen mit 2.700 verschiedenen Artikeln auf 180 qm Ladenfläche, einem 70 qm großen Dorf-Café und einer vermieteten Wohnung im Dachgeschoß eröffnet. Heute haben wir über 160 Mitglieder, die über 110.000 € Eigenkapital in den Dorfladen-Betrieb und unsere eigene Immobilie investiert haben – und damit in die eigene Lebensqualität.
In unserem nur 500 Einwohner zählenden Dorf erzielen wir seit 2011 jährliche Netto-Umsätze von gut 350.000 € im Lebensmittel-Einzelhandel, beschäftigen sieben Frauen und einen Studenten als Mini-Jobber.
Der Dorfladen in Otersen ist 2011 in eine neue Immobilie umgezogen, die sich im Eigentum eines Vereins befindet. Wer hat sich daran finanziell und ideell beteiligt?
Unser Dorfladen „von Bürgern für Bürger“ befand sich von April 2001 bis April 2011 in gemieteten Räumen. Am alten Standort hatten wir keine Zukunfts- und Entwicklungsperspektive. Deshalb haben wir in „Eigentum statt Miete“ investiert. Am 10. April 2011 haben wir unseren neuen, 180 qm großen Dorfladen in Betrieb genommen und konnten am 1. Mai gleich nebenan unser Mehrgenerationen-Dorfcafé eröffnen.
100 Haushalte aus zwei Dörfern haben 2010 über 50.000 € neues Eigenkapital einge-bracht. Über 70 Frauen und Männer haben 5.000 Stunden Eigenleistungen auf der Baustelle erbracht und damit wohl rund 75.000 € Kosten eingespart.
Außerdem schultern die Bürger rd. 200.000 Euro Fremdfinanzierung und zahlen Zinsen und Tilgung statt wie bisher Miete.
Die Gesamtkosten konnten wir durch eine EU-Förderung in Höhe von 103.000 € und Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Amt für regionale Landesentwicklung in Verden und dem Ministerium für den ländlichen Raum in Hannover finanzieren. Außer-dem beteiligte sich die Gemeinde Kirchlinteln mit rund 60.000 € Zuschuss an den Gesamtkosten.
Wer ist Träger des Dorfladen-Projektes? Wie ist er ursprünglich aus der „Taufe gehoben“ worden?
Ursprünglicher Betreiber unseres Dorfladens war eine GbRmbH mit 70 Gesellschaftern. Diese GbRmbH ist inzwischen von unserem neuen wirtschaftlichen Verein „Dorfladen Otersen w.V.“ mit über 150 Mitgliedern und deutlich über 110.000 € Eigenkapital „von Bürgern für Bürger“ übernommen worden. Der Dorfladen Otersen w.V. ist auch Eigentümer unseres neuen Dorfladens mit dem Mehrgenerationen-Dorfcafé auf einem 3.400 qm großen Grundstück.
Können Sie mir einige Kennzahlen (Standort/Lage, Verkaufsfläche, Zahl der Mitarbeiter, Öffnungszeiten, potenzielle Kundenzahl, durchschnittliche Kundenzahl, eventuelle Wettbewerber, Umsatz/Umsatzentwicklung oder auch durchschnittlicher Kunden-Bon) zu Ihrem Dorfladen nennen?
- Lage: direkt an der Landesstr. 159 (Ortsdurchfahrt), in der Ortsmitte
- Verkaufsfläche: 180 qm plus 70 qm Mehrgenerationen-Dorfcafé
- Öffnungszeiten:
- Montag bis Freitag 6.30 – 13.00 Uhr
- Sonnabend 7.00 – 13.00 Uhr
- Sonntag 8.00 – 10.00 Uhr
- Montag, Dienstag u. Freitag 15.00 – 18.00 Uhr, Mittwochnachmittag geschlossen
- Donnerstag 15.00 – 19.00 Uhr
- Kunden-Potenzial: 750 Einwohner in drei Dörfern im Süden des Landkreises Verden, mitten in Niedersachen
- durchschnittlich 150 Kunden täglich
- 350.000 € Netto-Umsatz konstant in den letzten Jahren
- durchschnittlicher Kassen-Bon: ca. 9,00 € (Umsatz pro Einkauf)
- Wettbewerber: Vollsortimenter in 12 km Entfernung, Discounter in 10 km Entfernung, kleine Lebensmittel-EH in 8 km Entfernung
- 7 Mitarbeiterinnen, umgerechnet rund 3,5 Vollzeit-Kräfte
Was sind die gestalterischen Akzente Ihres Dorfladens nach der Wiedereröffnung? Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?
Saniertes, 200 Jahre altes Fachwerk und Dorfladen-Anbau in Holzrahmenbauweise mit Lärchen-Deckelschalung und Pultdach, incl. 100 qm / 10 kWpeak Photovoltaik-Anlage mit 97 % Eigennutzung des erzeugten Sonnenstroms. Wir engagieren uns für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, haben unseren Stromverbrauch von 2011 bis 2016 um 25 % reduziert. Seit 2017 sind wir kleinster Teilnehmer im bundesweiten Modellvorhaben „Energieffizient Handeln“ für Handels-Immobilien in Deutschland. Ende März haben wir fast 60.000 € in eine neue Kälte-Verbundanlage und drei neue, moderne Kühlmöbel investiert. Seit April sparen wir Monat für Monat im Vergleich zum Vorjahr nochmals rund 30 % Strom ein.
Welche Sortimente mit welcher Artikelzahl sind in Ihrem Laden zu finden? Welche Sortimente werden besonders nachgefragt?
2.700 Artikel aus folgenden Sortimentsgruppen
- Backwaren
- Tiefkühlkost
- Getränke
- Obst u. Gemüse
- Drogerieartikel
- Fleisch und Wurstwaren
- Bio-Lebensmittel
- Fair-Trade-Produkte
- Nährmittel, Trockensortiment, Konserven
- Regionale Produkte, saison-abhängig
- Zeitungen, Zeitschriften
Haupt-Umsatzträger sind Backwaren und Getränke und Frische-Produkte in Bedienung.
Profilieren Sie bestimmte Produkte/Produktgruppen besonders, beispielsweise regionale Produkte oder Frische-Produkte?
Ja, BIO-Lebensmittel aus der Region, teilweise von einem Bioland-Betrieb aus unserem Dorf (Erdbeeren, Gemüse, Heidelbeeren ….)
Wie sieht ihre Preisstruktur aus?
2 Produkt-Strategie: Marken-Artikel + Eigenmarke „Hofgut“ mit Preisen auf Discount-Niveau
Wie ist Dorfcafè gestaltet? Wie viele Sitzplätze gibt es? Welche Waren offerieren Sie?
40 Sitzplätze im Mehrgenerationen-Dorfcafé, 48 Sitzplätze auf zwei Terrassen
Kein herkömmliches Café, sondern Mehrgenerationen-Dorfcafé, damit wollen wir aus dem dörflichen Lebensmittel-Markt einen Lebens-Mittelpunkt für unser Dorf machen
Gibt es weitere Dienstleistungsmodule?
Ja: Hermes-Paketshop
Mit welchen Lieferanten bzw. Großhändlern arbeiten Sie zusammen?
Wir arbeiten sehr gut mit Bartels-Langness „Famila“ (Markant) zusammen. Jeder kleine Dorfladen benötigt einen starken Partner. Bartels-Langness beliefert uns zweimal wöchentlich mit frischer Ware und ermöglicht uns auch einen wöchentlichen Werbe-Handzettel mit Top-Angeboten.
Ist die Dorfladenbewegung zurzeit nur ein Medienhype oder steckt ein echter Bedarf dahinter?
Medienhype? Dorfläden werden „von Bürgern für Bürger“ betrieben – doch nicht für die Medien gegründet und betrieben, um in die Zeitung zu kommen. Die Sicherung der Nahversorgung ist von besonderer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raumes und die Lebensqualität der Menschen in den Dörfern. Immer mehr Bürgermeister und Mitbürgerinnen und Mitbürger im ländlichen Raum sind es leid, sich von den großen Lebensmittel-Ketten vorschreiben zu lassen, wie weit (immer weiter) die Menschen zum Einkaufen fahren müssen. Die Kilometerzahl für Einkaufsfahrten verdoppelte sich von 1982 bis 2002 von 219 Millionen Kilometer auf 444 Millionen Kilometer, hat das IÖW Berlin ermittelt – 444 Millionen km täglich. 8 Millionen Menschen in Deutschland gelten als unterversorgt. Das sind doch klare Fakten und ist kein Medien-Hype. Dem Laden-Sterben begegnen die Menschen und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Bei unserem Dorfladen „von Bürgern für Bürger“ lautet das Motto „Eigeninitiative statt Unterversorgung“. Fast 300 bürgerschaftlich, als Selbsthilfeeinrichtungen organisierte Dorfläden gibt es aktuell zwischen bayerischem Alpenvorland und Nordseeküste, die meisten davon in Bayern.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Nahversorgung in Deutschland für die nächsten Jahre?
Der Trend zu mehr Bürger-Engagement bei der Sicherung der Nahversorgung wird sich in den nächsten Jahren eher noch verstärken. Zur Information dieser engagierten Bürger haben wir schon 2004 in Otersen das Dorfladen-Netzwerk gegründet. Inzwischen bietet unser Internet-Portal www.dorfladen-netzwerk.de über 200 Berichte und das Dorfladen-Handbuch an.
Mit Blick auf die Alterung der Gesellschaft und den Demographischen Wandel wird der Bedarf an Wohnortnahen Einkaufsmöglichkeiten steigen. Wer selbstbestimmt in vertrauter Umgebung alt werden möchte (Motto: daheim statt im Heim), muss sich auch im direkten Umfeld selbst versorgen und einkaufen können. Wohnortnahe Bürger-Dorfläden tragen aber auch zur Attraktivität eines Dorfes für alle Generationen bei.
Allerdings: Bürgerläden stehen vor immer neuen Herausforderungen und müssen in Zukunft noch professioneller geführt werden. Dafür benötigen wir weitere Unterstützungen.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Nahversorgung in ländlichen Kommunen: in welchen Regionen Deutschlands haben es z.B. ältere Menschen schwer, ihre täglichen Einkäufe schnell erledigen zu können und wie stark wird die Politik gefragt sein, damit das Ladensterben auf dem Land nicht weitergeht?
Seit 1970 hat sich die Zahl der Lebensmittelgeschäfte von 160.000 auf unter 39.000 in ganz Deutschland stark reduziert, obwohl die Verkaufsfläche gewachsen ist. Die immer größeren Märkte siedeln mit Vorliebe am Ortsrand, auf der „grünen Wiese“ in Orten mit mindestens 5.000 Einwohnern – und für die Menschen im ländlichen Raum werden die Wege zum Einkaufen immer weiter. Inzwischen ist das Problem der „weit entfernt“-Versorgung (statt „Nahversorgung“) nicht nur ein Problem für die Menschen in dünner besiedelten ländlichen Räumen, sondern auch an Stadträndern.
Jede Negativ-Entwicklung sorgt aber irgendwann für eine Gegenbewegung. Beim Dorfladen-Netzwerk stellen wir immer öfter fest, dass sich Bürgermeister, Kommunal- politiker und viele engagierte Bürger von den großen Lebensmittel-Konzernen nicht vorschreiben lassen wollen, wie weit die Menschen auf dem Lande zum Einkaufen fahren müssen. Es geht auch nicht allein um die Versorgung mit Artikeln des täglichen Bedarfs – es geht auch um soziale Treffpunkte im Dorf und Wohnquartier. Die sozio-kulturelle Funktion von Dorfläden ist nicht zu unterschätzen. Deshalb werden immer mehr Bürger-Läden zwischen dem bayerischen Alpen-Vorland und der Nordseeküste gegründet. In den letzten 15 Jahren wurden über 200 Bürger-Dorfläden mit ganz individuellen Konzepten neu gegründet. Allein in Bayern gibt es über 100 Bürger-Läden und nur eine Handvoll scheiterten.
Der Konzentrations-Prozess im Lebensmittel-Einzelhandel muss endlich gestoppt werden. Die Lebensmittel müssen zu den Menschen und nicht die Menschen zu den immer weiter entfernten Märkten kommen. Bürger-Dorfläden ermöglichen es Kindern, im Dorf den Umgang mit Taschengeld zu lernen. Die multifunktionalen Geschäfte im Dorf mit vielen Dienstleistungen und Angeboten unter einem Dach, ermöglichen es jungen Familien wie Senioren gleichermaßen, wohnort-nah die notwendigen Besorgungen zu erledigen. Bürgerläden steigern für alle Generationen die Lebensqualität und für das jeweilige Dorf die Zukunftsfähigkeit. Diese vielen Bürgerläden stehen aber vor großen Heraus-forderungen: Mindestlohn und deutliche Energiekosten-Steigerungen sind da nur zwei Stichworte. Deshalb müssen Bürger-Läden künftig noch professioneller geführt werden.
Unser Geschäftsprinzip von 2001 „Auskömmlichkeit statt Gewinnmaximierung“ reicht heute nicht mehr – wir müssen die regionale Wertschöpfung steigern – um nachhaltig erfolgreich zu sein.
Beratung und Coaching für Dorfladen-Mitarbeiterinnen und ehrenamtliche Vorstände sind ebenso notwendig, wie endlich eine passende Rechtsform für bürgerschaftlich organsierte Klein-Unternehmen – eine kostengünstige „Mini-Genossenschaft“ oder „Kooperativ-gesellschaft“ – statt jährlich vierstelliger Prüfungsgebühren für eine Dorfladen e.G.
Wenn es die Landes- und Bundespolitik mit den (annähernd) gleichen Lebens-verhältnissen gemäß Grundgesetz Ernst meint, dann haben diese erfolgreichen Bürger-Initiativen zum Erhalt der Versorgungs- und Lebensqualität auf dem Lande eine bessere Förderung und Unterstützung verdient.
Warum stellen Dorfläden in bürgergenossenschaftlicher Hand ein gutes Gegengewicht zum Ladensterben in ländlichen Kommunen dar?
Dem letzten Kaufmann im Dorf oder die „Tante Emma“ vergangener Generationen wird von der Dorf-Bevölkerung leider fälschlicherweise „Gewinnmaximierung“ unterstellt. Wenn der letzte Kaufmann dann sein Geschäft endgültig schloss, bemerkten die Einwohner erst, was ihnen plötzlich fehlte. „Stirbt die Nahversorgung, stirbt
das Dorf“, wurde vor einigen Jahren formuliert – zumindest geht es mit dem Dorf abwärts. Immer öfter nehmen engagierte Dorfgemeinschaften ihr Schicksal selbst in die Hand, wollen sich die Nahversorgung als Selbsthilfeeinrichtung für alle Generationen erhalten. Für die älteren Einwohner ermöglichen Dorfläden, sich möglichst lange eigenständig versorgen und in vertrauter Umgebung alt werden zu können. Unter-schiedlichste Fachkenntnisse können in einer Bürgergesellschaft, die den Dorfladen führt, gebündelt werden, damit der Bürger-Laden erfolgreich läuft. Zusätzlich kann ehren-amtliches Engagement beim Ware einräumen, in der Geschäftsführung, bei Umbauten sowie bei der Grundstücks- und Gebäudepflege eingebracht werden – das hilft, Kosten zu sparen. GEMEINSAM kann eine engagierte Dorfbevölkerung die Herausforderungen besser meistern, als der letzte Kaufmann oder die betagte „Tante Emma“ ohne Zukunftsperspektive, weil kein Nachfolger in Sicht ist.
Wie ist die Tendenz: können sich die meisten Dorfläden finanziell halten?
Einige Bürger-Läden schreiben leicht rote Zahlen, leben von der Substanz und müssen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Gesundung einleiten. Die meisten Dorfläden erreichen
eine „schwarze Null“ oder einen kleinen Gewinn, der i.d.R. den Rücklagen zugeführt wird, um künftige Ersatz-Investitionen aus Eigenmitteln finanzieren zu können.
Wie kann das Dorfladen-Netzwerk helfen, um Kommunen bzw. engagierten Bürger, die einen Dorfladen gründen möchten, bei ihren Vorhaben zu unterstützen?
2004 haben wir in Otersen das Dorfladen-Netzwerk für Niedersachsen gegründet. Von hier aus betreiben wir auch das gleichnamige Internetportal www.dorfladen-netzwerk.de mit zahlreichen Informationen und aktuellen Berichten. 2008 haben wir das Dorfladen-Handbuch www.dorfladen-netzwerk.de/dorfladen-handbuch/PDF-Dateien/ veröffentlicht, in dem wir auf über 200 Seiten unser Konzept und unsere vielfältigen Erfahrungen dokumentiert haben. Fehler die wir gemacht haben, müssen von künftigen Gründungsinitiativen nicht wiederholt werden und unsere guten Erfahrungen dürfen gerne kopiert werden, obwohl jedes Dorfladen-Initiative ein eigenes Konzept entwickeln sollte.
Ein weiteres Dorfladen-Netzwerk gibt es auch in Bayern. Im Januar 2016 gelang während der Int. Grüne Woche in Berlin der Schulterschluss zwischen Dorfläden in Nord- und Süddeutschland. Wir haben die „Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden“ – kurz: „BmD“ gegründet – die inzwischen schon rund 80 Mitglieder aus 9 Bundesländern hat. Wir wollen den Austausch von Informationen und „Best practise“-Ansätzen noch stärker praktizieren und eine Interessen-Vertretung für alle Bürgerläden wahrnehmen. Auf Vorschlag der Kollegen aus Bayern wurde der Dorfladen Otersen zum Sitz der Bundesvereinigung.
Wir halten viele Informationen für Gründungsinitiativen bereit und sind immer öfter Ansprechpartner für Bürgermeister, Kommunalverwaltungen, Dorferneuerungsplaner und engagierte Bürgergruppen. Bei der Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel sind oftmals fundierte Machbarkeitsstudien vorzulegen. In diesem Zusammenhang kann das Netzwerk seriöse Unternehmensberater vermitteln. In Otersen etablieren wir aktuell eine Wissenstransferstelle http://dorfladen-netzwerk.de/tag/wissenstransferstelle/ für die Dorfladen-Bewegung. In Bayern gibt es umfassende Seminar-Programme der Schule für Dorf- und Landentwicklung in Thierhaupten. Derartige Angebote zur Unterstützung der Dorfläden sind auch für Norddeutschland erforderlich.
Welche Rechtsformen bieten sich für eine Dorfladen-Gründung mit 100 oder mehr Gesellschaftern oder Mitgliedern an?
Die bürgerschaftlich organisierten Dorfläden sind nach genossenschaftlichen Grundsätzen aufgestellt und ausgerichtet, sollten deshalb aber nicht unbedingt die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft e.G. wählen, weil die Kosten für die jährliche Prüfung der Jahresbilanz durch einen Genossenschaftsverband nur schwer zu erwirtschaften ist bzw. den Jahresgewinn zur Bildung von Rücklagen für spätere Ersatzbeschaffungen und andere Investitionen schmälert oder sogar ganz aufzehrt. Immer mehr Dorfläden werden deshalb hilfsweise als Unternehmergesellschaft (UG + Still) oder als wirtschaftlicher Verein (w.V.) gegründet, um diese Kosten zu sparen. Seit Jahren hoffen wir, dass der Bundesgesetzgeber endlich eine passende Rechtsform für kleine Bürger-Unternehmen schafft. Eigentlich müssten Dorfladen-Vereine, die der Allgemeinheit dienen und immer Selbsthilfeeinrichtungen sind, als gemeinnützige Vereine anerkannt werden, damit sie gemeinnützigen Sport- und Kulturvereinen sowohl steuerrechtlich als auch bei der Beantragung von Fördermitteln z.B. aus EU-Förderprogrammen gleichgestellt werden. Während gemeinnützige Vereine oftmals mit 63 % oder mehr gefördert werden, erhalten bürgerschaftlich organisierte Dorfläden wie private Unternehmen auch nur 30 % Förderung.