Während in Deutschland 85 % der kleinen Lebensmittelgeschäfte seit 1990 geschlossen haben, werden seit über 20 Jahren im österreichischen Bundesland Voralberg Betriebskosten-Zuschüsse zum Verlustausgleich nach Bilanz-Vorlage ausgezahlt – bis zu 25.000 € jährlich. Voralberg reagierte, als sich die Zahl kleiner Lebensmittelgeschäfte halbiert hatte – und stoppte damit das Sterben der Dorfläden. 2018 wurden 48 Betriebskostenzuschüsse über insgesamt rund 780.000 € – also rund 16.000 € pro Antrag stellendem Dorfladen – 80 % vom Land – 20 % von der Gemeinde. Damit hat das Land Voralberg das Sterben vieler kleiner Nahversorger verhindert, den Menschen auf dem Lande Lebensqualität erhalten und weite Einkaufsfahrten und unnötigen CO 2-Ausstoß verhindert. Ein Modell auch für Deutschland? Schreiben Sie uns Ihre Meinung – an Günter Lühning dorfladen-netzwerk(at)otersen.de
Mit den Verhältnissen in bundesdeutschen Flächenländern ist die Situation auf dem Lande in Österreich durchaus vergleichbar. 392.000 Einwohner leben im österreichischen Land Voralberg. Das ist eine Bevölkerungsdichte von 151 Einwohnern pro Quadratkilometer (qkm). Extrem wenig? Nein.
In Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg ist die Bevölkerungsdichte mit 69 bzw. 84 Einwohnern pro qkm deutlich geringer. Vergleichbar ist die Situation auf dem Lande im österreichischen Voralberg mit den großen Flächenländern in DeutschlandVoralberg 161 Einwohner/qkm
- Mecklenburg-Vorpommern 69 Einwohner/qkm
- Brandenburg 84 Einwohner/qkm
- Voralberg 151 Einwohner/qkm
- Niedersachsen 167 Einwohner/qkm
- Bayern 184 Einwohner/qkm
Durch eine Internet-Recherche sind wir bei „Voralberg online“ (www.vol.at) auf einen interessanten Bericht gestoßen:
In neun der 96 Vorarlberger Gemeinden gab es bereits kein Lebensmittelgeschäft mehr. Um die Nahversorgung in den übrigen Kommunen zu erhalten, fördern Land Vorarlberg und Gemeinden die Dorfläden mit 1,4 Mio. Euro. Ihr Erhalt sei wichtig für die Lebensqualität in ländlichen Kleingemeinden, so Landeshauptmann Markus Wallner.
Seit 1970 hatte sich die Zahl der Geschäfte in Vorarlberg mehr als halbiert, die Verkaufsfläche des Handels wuchs in den großen Märkten aber auf das Zweieinhalbfache. Das Sterben der Dorfläden zog sich bis in die 1990er-Jahre, seither wurde der Rückgang gestoppt. 50 eigenständige Dorfläden gab es 2014 noch. Mit Betriebskostenzuschüssen, die auf 25.000 Euro verdoppelt wurden, und Investitionsförderungen, deren Satz von 20 auf 30 Prozent erhöht wurde, habe man die Zahl halten können. Unterstützt werden auch Zustelldienste, ein Service, mit dem sich Dorfläden von anderen Anbietern abheben können.
Zudem bietet der Verein “Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung”, ein Zusammenschluss von 40 Bürgermeistern, Beratungen für Kommunen, Kaufleute und Konsumgesellschaften. “Geht’s dem Dorfladen gut, geht’s der Gemeinde gut”, fasste Vereinsobmann Ludwig Mähr, Bürgermeister der Kleingemeinde Düns, zusammen. Die Geschäfte seien nach dem Sterben von Dorfgasthäusern, Post- und Bankschließungen oft die einzigen verbliebenen Begegnungsstätten. In Bayern hätten rund 70 Prozent der Orte mit weniger als 3.000 Einwohnern keinen eigenen Nahversorger mehr, so Mähr.
Man strenge sich sehr an, in Vorarlberg die dörfliche Infrastruktur zu erhalten, was “keine leichte Aufgabe” sei, erklärte Wallner. Während aber viele Gegenden in Österreich mit Landflucht kämpften, kenne man solche Abwanderungen in Vorarlberg dank der Bemühungen nicht. Rüdisser betonte, die Nahversorger könnten sich nur dauerhaft halten, wenn in der Bevölkerung die Bereitschaft bestehe, dort den Basiseinkauf zu tätigen.
Quelle: https://www.vol.at/vorarlberg-geht-mit-foerderungen-gegen-dorflaeden-sterben-an/3968665
Ergänzend dazu die Pressemitteilung der Landesregierung Voralberg vom 18.12.2018:
Wallner: Intakte Lebensmittel-Nahversorgung in Kleingemeinden sichern
Land bewilligte Betriebskostenzuschüsse für das Jahr 2018 – 780.000 Euro sind freigegeben worden
Bregenz (VLK) – Die Sicherstellung einer intakten Nahversorgung in den ländlich geprägten Regionen ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. So werden für Lebensmittelgeschäfte und Dorfläden außerhalb der großen Ballungsräume neben Investitions- auch Betriebskostenzuschüsse ausbezahlt, berichten Landeshauptmann Markus Wallner und Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser. Vor kurzem wurden die Betriebskostenzuschüsse für das Jahr 2018 bewilligt. Der freigegebene Landesbeitrag beläuft sich in Summe auf rund 780.000 Euro.
48 Lebensmittelgeschäfte in 45 Gemeinden werden heuer von der Unterstützung profitieren. Der maximale Betriebskostenzuschuss beträgt 25.000 Euro. Landesstatthalter Rüdisser spricht von einem „ganz entscheidenden Beitrag für die Sicherung der Lebensmittelnahversorgung, der österreichweit beispielhaft ist“. Eine funktionierende Nahversorgung sei ganz besonders für jene Menschen ungemein wichtig, die nicht uneingeschränkt mobil sind, so Rüdisser. „Durch die Unterstützung, mit der Vorarlberg in Österreich aber auch der Bodenseeregion eine Vorreiterrolle einnimmt, ist es gelungen, den Rückgang, den es ab den 70er Jahren bei der Anzahl der Lebensmittelgeschäfte zu verzeichnen gab, deutlich einzubremsen. Dieses System kann allerdings nur so lange funktionieren, wie die Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde in ‚ihrem‘ Lebensmittelgeschäft auch einkaufen und damit die Basis schaffen, die für eine wirtschaftliche Führung erforderlich ist“, so der Landeshauptmann.
Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land
Hinter dem starken Einsatz des Landes steht für Wallner und Rüdisser gleichermaßen das permanente Bemühen um möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land. „Es liegt in der Natur der Sache, dass kleinere, finanzschwächere Gemeinden in Sachen Infrastrukturausbau zuweilen deutlich mehr Hilfestellung benötigen“, stellt der Landeshauptmann diesbezüglich klar.
gez. Günter Lühning
- Vorsitzender Dorfladen Otersen w.V. (Niedersachsen)
- Vorsitzender Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden