Energieversorger verschicken dieser Tage Mitteilungen über die neuen Strompreise ab 1.1.2013 und erhöhen um durchschnittlich 12 %. Einige Dorfläden als letzte Nahversorger werden aber auch mit Kostensteigerungen von 15 % vor große Herausforderungen gestellt. Beim 2001 gegründeten Dorfladen Otersen mitten in Niedersachsen sind die Strompreise in den letzten 10 Jahren um stolze 77 % gestiegen. Bei 40.000 Kilowattstunden jährlichem Stromverbrauch sind das Mehrkosten von fast 4.000 € jährlich im Vergleich zu 2003. Diese Kostensteigerung entspricht oftmals mehr als 1 Prozent des Jahresumsatzes kleiner Dorfläden und genau der Betrag, der bestenfalls als Jahresüberschuss (für Rücklagen / Ersatzinvestitionen) verbucht werden soll.
Damit große, Energie-intensiv produziere Konzerne, nicht ins Ausland mit günstigeren Strompreisen abwandern, erhalten die „Großen“ Erleichterungen und günstige Preise. Für die kleinen Dorfläden als letzte Nahversorger im ländlichen Raum ist ein Standortwechsel überhaupt kein Thema, haben sie sich doch die Nahversorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum verschrieben. Heimatverbundenheit und Regionalität sind die Säulen dieser kleinen Nahversorger in Dörfern mit 500, 1.000 oder 1.500 Einwohnern.
Der Dorfladen „von Bürgern für Bürger“ im 520 Einwohner zählenden Dorf Otersen in Niedersachsen hat aus aktuellem Anlass die Entwicklung der Energiepreise analysiert. Zwei Jahre nach der Eröffnung des Dorfladens war der Strompreis bereits auf 12,6 Cent (Netto) gestiegen. Bei 40.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch musste der Dorfladen 2003 für Strom 5.042 Euro aufwenden. Das waren bei einem Jahresumsatz von 300.000 Euro bereits 1,7 Prozent vom Umsatz oder 1,70 Euro von 100 Euro Umsatz. Nach Abzug der Kosten für Wareneinkauf, Personal, Miete, Reparaturen und der sonstigen Kosten verbleiben den kleinen Dorfläden bestenfalls 1 Prozent, also weniger als die Stromkosten von 2003.
Heute wären die Dorfläden sicherlich froh, wenn Sie nur durch die Energiepreise auf dem Niveau von 2003 belastet wären. Die Energiepreise stiegen permanent:
- 12,6 Cent pro kWh in 2003
- 16,3 Cent pro kWh in 2008
- 19,4 Cent pro kWh in 2012
- 22,3 Cent (Netto, zzgl. Mehrwertsteuer) sollen es ab 1.1.2013 sein.
Bei konstant 40.000 Kilowattstunden Jahres-Stromverbrauch werden aus den vermeintlich kleinen Cent-Beträgen an permanenten Preissteigerungen erhebliche Kostensteigerungen.
Während der Dorfladen 2003 für 40.000 kWh á 12,6 Cent insgesamt noch 5.042 € zahlte, wird die Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 2013 bei ebenfalls 40.000 kWh Jahresverbrauch mit 8.932 € belastet werden. 2008 waren es noch 6.503 Euro, in diesem Jahr 7.758 €.
Wenn es kleinen Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäften in den Dörfern gelingt, den Jahresumsatz zu halten und nicht Jahr für Jahr Umsatz-Rückgänge hinzunehmen, dann sind Dorfläden mit einem Jahresumsatz von unverändert 300.000 € in der Regel schon zufrieden. Gleichbleibende Jahresumsätze (z.B. konstant 300.000 €) auf der einen Seite stehen permanent steigende Energiekosten gegenüber … mit fatalen Folgen in der Gewinn- und Verlustrechnung. Bedeuteten die 5.042 € Stromkosten bei 300.000 € Jahresumsatz in 2003 noch 1,7 Prozent – werden die Stromkosten im nächsten Jahr (z.B. 8.932 € Stromkosten bei 300.000 € Jahresumsatz) oftmals 3 % vom Umsatz. Sollte 2003 noch ein kleiner Überschuss im Dorfladen „verdient“ worden sein, dann befindet sich ein Dorfladen aufgrund der Strompreis-Erhöhung von 1,7 % (2003) auf 3 % vom Umsatz spätestens 2013 vollends in der Verlustzone.
Viele kleine Nahversorger im ländlchen Raum laufen in die Strompreis-Falle, weil
- die steigende Kosten nicht aufgefangen werden können
- die Energiekosten in den nächsten Jahren unaufhaltsam steigen werden
- für Energie-sparende Kühlgeräte oftmals die Eigenmittel fehlen und Zinsen und Tilgung für neue Darlehen nicht verdient werden können
- Tiefkühl-Truhen, Kühltresen und Kühlregale für Molkereiprodukte unverzichtbar sind, um attraktiv genug zu sein und Kunden-Wünsche erfüllen zu können
Die Problematik der ständig steigenden Energiepreise werden die kleinen Dorfläden zwischen dem Allgäu und der schleswig-holsteinischen Ostsee-Küste nicht allein durch den Wechsel zum vermeintlich günstigsten Anbieter lösen können. Die Kooperation mit fachkundigen Beratern für Energie-Effizienz und qualifizierten Handwerksbetrieben wird ebenso notwendig sein, wie eine breite Unterstützung kleiner Dorfläden als letzte Nahversorger. Investitionen in Energie-Erzeugung zur Eigennutzung und autarke Dorfläden könnten eine Lösung sein, damit die kleine Dorfläden unabhängig werden von künftigen Strompreis-Erhöhungen. Das gelingt aber nur, wenn Bürger bereit wären, Eigenkapital zu investieren.
Mit jeder Dorfladen-Schließung würde die Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität im ländlichen Raum schwere Rückschläge erleiden und der Umfang der weiten Einkaufsfahrten zu den großen Märkten und Discounter in 5, 10 oder 15 km Entfernung – ökononmisch und ökologisch völlig unsinnig- würde weiter zunehmen.