Der Lebensmittel-Nahversorger als wichtige Säule in der Dorf- und Landentwicklung

Pyramide-TitelseiteWenn wir von Lebensmittel-Nahversorger reden, dann denken die meisten an den Dorfladen. Nicht nur kleine Dörfer und Gemeinden haben die Aufgabe zu lösen, die Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfes sicherzustellen, sondern auch Stadtteile größerer Städte. Bislang konnten diese Aufgabe meist Wirtschaftsunternehmen erfüllen. Doch die Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen ziehen sich immer mehr von der Fläche zurück und hinterlassen immer größere Versorgungslücken. Das betrifft sowohl das kleine Dorf, die kleine Gemeinde als auch kleinere Stadtteile größerer Städte. Doch macht es Sinn, einen kleinen Dorf- oder Bürgerladen wirklich mit Hilfe der öffentlichen Hand zu initiieren? Wird mit dem Projekt des Bürgerladens mit dem Einsatz von Fördermitteln etwas am Leben erhalten, was von der Struktur nicht überlebensfähig ist? Diese Fragen wollen wir hier in diesem Bericht kurz beantworten.Ich vergleiche den Dorfladen gerne mit einem Igel. Der Igel ist langsam und klein und hat trotzdem viele Jahrhunderte überlebt. Er hat sich auch nicht zu einem Löwen hin entwickelt, geschweige denn, dass er die Größe eines Sauriers bekommen hat. Der Igel ist ein gern gesehener Gast in einem Nutzgarten, zumal er mit Vorliebe Schnecken verspeist. Kurzum: er fühlt sich in seiner Nische sehr wohl.

In Bayern kann man auf eine umfassende und über 25-jährige Erfahrung im Aufbau der Grund- und Nahversorgung mit Hilfe kleinerer Geschäfte zurückgreifen. Mittlerweile spricht man von dem Dorfladen der dritten Generation. Etabliert haben sich diese Versorgungsformen in der Praxis allemal.

Gleiritsch_O&G und Geniesser-Ecke_2Der Dorfladen der dritten Generation erfüllt somit folgende Eigenschaften:

  • Der Umsatzanteil mit regionalen Produkten von kleinen und Kleinstbetrieben (teilweise auch Nebenerwerbsbetriebe) beträgt bis zu 70 %.
  • In kleineren Ortschaften hat sich der Dorfladen zum größten Arbeitgeber entwickelt. So ist es keine Seltenheit, dass zwischen 6 und 12 Personen in einem Dorfladen arbeiten.
  • Die Stundenlöhne liegen zwischen 8,50 Euro und 18 Euro.
  • Es werden handelsübliche und vergleichbare Mieten bezahlt.

Die Dorfläden der dritten Generation haben sich aus der Nische der Ehrenamtlichkeit deutlich herausentwickelt.

Der Dorfladen der dritten Generation beansprucht für sich somit auch eine intensivere Anlaufphase, die sehr gut geplant sein will. Projekte in Farchant, Hohenfels, Wiesen und in Höchst haben es unter Beweis gestellt, dass auch unter den hohen betriebswirtschaftlichen Anforderungen es gelingen kann, trotzdem einen Nahversorger erfolgreich zu gründen. Die Städten und Gemeinden zusammen mit engagierten Bürgern waren stets die Impulsgeber für diese Projekte.

Auch übernehmen die Dorfläden wichtige Aufgaben für die regionale Wertschöpfungsquote:

  1. Sie schaffen Arbeitsplätze vor Ort, die meist mit hoher Flexibilität von meist jüngeren Müttern und Vätern angenommen werden können.
  2. Die garantieren die Versorgung der Bürger mit den Waren des täglichen Bedarfes (Lebensmittel, Hygieneartikel, Haushaltsreinigungsmittel etc.)
  3. Sie sind wichtige Kunden für kleinere Landwirte und Direktvermarkter sowie Lebensmittelhandwerker (u. a. Bäcker, Metzger, Käsereien etc.). Sehr häufig hat diese Lieferbeziehung dazu beigetragen, dass die kleineren Handwerksbetriebe erhalten werden konnten.
  4. Sie sind wichtiger Impulsgeber für eine Weiterentwicklung und den Ausbau des Dienstleistungsangebotes in der schwach strukturierten Region. So konnte z. B. in Wörth Dank eines Dorfladens ein Landarzt wieder angesiedelt oder in Aidhausen der Metzger erhalten werden.

Was wären die Folgen, wenn gerade größere Gemeinden und Städte ihre schwach strukturierten Regionen nicht fordern und fördern? Wäre das Problem damit lösbar, dass die Dörfer leergezogen werden und alle in die Ballungsräume strömen? Wäre es nicht sinnvoller, leergezogene Dörfer zu Ackerflächen um zu nutzen? Gerade diese Argumente kommen häufig von den Vertretern, die nichts für diese Art von Strukturförderung übrig haben und auch kein Verständnis dafür zeigen. Wird dieser Entwicklung freien Lauf gegeben, so führt dies unweigerlich zu folgenden Ergebnissen:

  • Die Dörfer werden leer gezogen. Die Bürger ziehen in die Städte und Ballungsräume. Wohnraum wird damit nicht mehr finanzierbar. Weitere Armut steigt an, für die die Gemeinden und Städte aufkommen müssen.
  • Teure Infrastruktur muss auch auf dem Lande und den leergezogenen Regionen erhalten werden. So müssen z. B. die Kommunen in Dörfern in den Neuen Bundesländern und auch in Stadtteilen von Berlin Kanalisationen mit Trinkwasser bespült werden.
  • Gettobildungen in leergezogenen Regionen führen zu ungewollten Sammelbecken für Kriminalität. Auch Berlin klagt mittlerweile darüber, dass diese Stadtteile nicht mehr kontrollierbar sind.
  • Durch den Leerzug der Orts- und Stadtteile fallen die Grundstückspreise in den Keller. Häuser verfallen, weil sie nicht mehr zu verkaufen sind.
  • Es werden soziale Netzwerke zerstört. Insbesondere ältere Bürger sind darauf angewiesen, dass sie –sofern sie auch alleine wohnen- Kontakt zu den Mitbürgern halten können. Der Anteil der Single-Haushalte und der Anteil derer, die sich immer mehr zurückziehen, ist in den Ballungsräumen weit aus höher, als im ländlichen Raum. Medizinisch gesehen ist dies der ideale Nährboden für Alterskrankheiten und altersbedingte Behinderungen (u. a. Alzheimer etc.) Die medizinische Versorgung ist weit aus intensiver und somit für die Allgemeinheit teurer.

Ist es „nur“ der Dorfladen, der diese Probleme lösen kann oder muss der Dorfladen zu einem multifunktionalen Dienstleistungszentrum entwickelt werden?

Zunächst muss man darauf achten, dass der Dorfladen nicht mit Dienstleistungen überfordert und überfrachtet wird. Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass diese Nahversorger in der Regel Dienstleistungen mit anbietet, die vor Ort erwünscht und auch notwendig sind. Bisher konnten wir bis zu 100 unterschiedliche Dienst- und Serviceleistungen integrieren. Diese Dienst- und Serviceleistungen müssen genau auf die örtlichen Bedürfnisse abgestimmt werden. Günter Lühning hat hierzu vom Dorfladen-Netzwerk eine Erfolgspyramide entwickelt. Fazit: Der Dorfladen war, ist und wird auch in Zukunft ein wichtiger Baustein im Bereich eines umfassenden multifunktionalem Angebot vor Ort sein. Je nach Bedarf wird er mehr oder weniger Dienstleistungs- und Serviceangebote integrieren und/oder in seinem näheren und weiteren Umfeld zur Ansiedlung animieren. Diese Erkenntnis ist so alt wie die Menschheit selbst.

Starnberg, im September 2014                         Wolfgang Gröll

Nahversorgungs-Pyramide_(C)Dorfladen-Netzwerk