„Digitale Dorfzentren“ statt „Digitaler Analphabetismus“

Finnlands Botschafterin Riiva Koukku-Ronde in Berlin

Finnlands Botschafterin Riiva Koukku-Ronde in Berlin

„Daseinsvorsorge online? Chancen und Grenzen dezentraler Versorgung“ lautete der Titel eines Forums, das am 23. November im Bundesminterium BMEL in Berlin im Rahmen der Herbstkonferenz „Ländliche Entwicklung“ durchgeführt wurde. Günter Lühning, Vorsitzender der Dorfladen-Bundesvereinigung war Teilnehmer dieses Forums und berichtet vom Vortrag der Botschafterin Finnlands und einem Workshop zur Digitalisierung ländlicher Regionen.

Finnland ist flächenmäßig fast so groß wie Deutschland, mit nur 5,5 Millionen Einwohnern aber sehr dünn besiedelt. „Unsere Bevölkerungsdichte beträgt 18 Menschen pro Quadratkilometer, in Lappland nördlich des Polarkreises sind es nur 0,2 pro qkm“, so die Botschafterin Finnlands. Bei einer Bevölkerungsdichte von 230 Menschen pro qkm in Deutschland sind auch unsere dünn besiedelten Regionen in Deutschland im Vergleich zu Finnland „dicht“ besiedelt – trotzdem kann Finnland für ländliche Regionen in Deutschland als Vorbild dienen.

„Gleichwertige Lebensbedingungen und Vitalität durch Vernetzung sind unsere Ziele. Wir wollen unsere ländlichen Räume konkurrenzfähig halten“, so Botschafterin Riiva Koukku-Ronde. „Bei uns sind die Entfernungen zu Schulen und Lebensmitteleinzelhandel und auch die Verwaltungseinheiten immer größer geworden. Nach einer neuen Reform 2019 soll es in Finnland nur noch 18 Verwaltungs-Landschaften geben“, so Koukku-Ronde. „Es kann nicht überall die gleichen Dienstleistungen stationär geben, deshalb gelte es in Finnland schrittweise den Digitalen Wandel zu nutzen:

  • 90 % der Bevölkerung Finnlands nutze heute schon das Internet
  • 40 % der Haushalte verfügten über schnelle Internet-Verbindungen mit 100 Megabits pro Sekunde (MBits/sec)
Finnlands Botschafterin Riiva Koukku-Ronde bei ihrem Vortrag am 23.11.2016 in Berlin. Foto: G. Lühning

Finnlands Botschafterin Riiva Koukku-Ronde bei ihrem Vortrag am 23.11.2016 in Berlin. Foto: G. Lühning

In drei Workshops haben wir im Forum I „Daseinsvorsorge online? Chancen und Grenzen dezentraler Versorgung“ über die Chancen, Grenzen und Voraussetzungen der Digitalisierung ländlicher Räume diskutiert.

Dialog in einem Workshop des Forums I - Foto: G. Lühning

Dialog in einem Workshop des Forums I – Foto: G. Lühning

Folgende Kern-Aussagen können aus der Diskussion im Workshop und im Forum I insgesamt festgehalten werden:

  • Eine flächendeckende Breitbandversorgung mit Glasfaser-Leitungen ist das unbedingte Fundament für die Digitalisierung
  • Breitband ist wie das Klavier – zusätzlich muss es gelingen, die Menschen mitzunehmen und zu befähigen, die Tastatur des Klaviers zu bedienen – also die Anwendungen mit Apps, Software und Plattformen.
  • Daraus ergeben sich Anforderungen an Schule & Bildung, einschließlich der Erwachsenenbildung. Empfehlenswert seien Allianzen zwischen den Generationen – z.B. mit „Jung hilft Alt“-Initiativen vor Ort, damit der Digitale Wandel erfolgreich gelingen und „Digitaler Analphabetismus“ vermieden werden könne.
  • In „Digitalen Dorfzentren“, möglicherweise angedockt oder in veränderten Dorfgemeinschaftshäusern ebenso wie in Dorfläden könnte eine „bediente“ Nutzung digitaler Angebote Realität werden
  • Apps für verschiedene Dienstleistungen, also Anwendungen auf PC, Tablet oder Smartphone sollten künftig den Alltag auch der Senioren von morgen erleichtern – mit Apps für Notrufe, die Kommunikation, die Anforderungen von örtlichen Dienstleistungen bis zu Verwaltungs-Dienstleistungen (eGoverment).
  • Im Zeitalter der Digitalisierung sollten auch Hochschulen oder Abteilungen von Universitäten stärker als bisher in ländlichen Regionen beheimatet werden.
Heino von Meyer, Leiter OECD Berlin Centre fasste zum Abschluss der Herbstkonferenz in Berlin die Ergebnisse des Forums I zusammen. Foto: G. Lühning

Heino von Meyer, Leiter OECD Berlin Centre fasste zum Abschluss der Herbstkonferenz in Berlin die Ergebnisse des Forums I zusammen. Foto: G. Lühning