Farnstädt: „Ein Dorf ohne Laden wird ein totes Dorf“

Immer öfter machen sich engagierte Menschen auf den Weg, um den Niedergang ihrer Heimat zu stoppen und Lebensqualität und Infrastruktur zu verbessern. „Ein Dorf ohne Laden wird ein totes Dorf“ ist eine engagierte Interessengruppe in Farnstädt überzeugt und zeigt das Wegbrechen wichtiger Infrastruktur für 1.500 Einwohner in 780 Haushalten auf. Ein bürgerschaftlich organisiertes Lebensmittelgeschäft als neues Dorfzentrum ist das Ziel, nachdem in diesem Jahr die letzte Kaufhalle und eine Gaststätte geschlossen wurden.

Humangeograph Prof. Dr. Gerhard Henkel empfahl in diesem Jahr: „Politik darf ländlichen Raum nicht vergessen“ und warnt: „Wenn die Menschen auf dem Land sich abgehängt fühlen, drohen Wut und Apathie“.

Abgehängte ländliche Räume? Das klingt nach weit abseits liegenden Dörfern – nach peripheren Räumen. Aber nicht nur dort, sondern in allen ländlichen Gebieten auch mit vergleichsweise guten Verkehrs-Verbindungen ist der Rückzug von Post, Bank, Spar-kasse, Landarzt, Bäcker, Fleischer, Gasthaus und Lebensmittelgeschäften feststellbar.

So zum Beispiel auch in der Gemeinde Farnstädt (560 Haushalte) mit dem Ortsteil Alberstedt (220 Haushalte) und zusammen 1.500 Einwohnern im südlichen Sachsen-Anhalt. Farnstädt liegt nicht im Nirgendwo, sondern direkt an der Bundesstraße B 180, nur 3 km entfernt von der Autobahnauffahrt auf die A 38 zwischen Göttingen/Kassel und Leipzig.

Farnstädt ist vergleichsweise noch gut aufgestellt: Grundschule, Kindertagesstätte, Sparkassenfiliale, Blumengeschäft und mehrere Arbeitgeber am Ort, einen mit 40 – einen anderen mit 200 Arbeitsplätzen, das alles gibt es noch in der Gemeinde. Trotzdem hat sich die örtliche Infrastruktur massiv verschlechtert. Vier Einkaufs-möglichkeiten – die Kaufhalle, der Konsum, die Drogerie und der Bäcker haben längst geschlossen. Die letzte Einkaufsmöglichkeit schloss Mitte 2017. Zum Jahresbeginn schloss im Ortsteil Alberstedt die letzte Gaststätte. Von den 3 Gaststätten in Farnstädt gibt es noch 1 – immerhin.

Prof. Dr. Henkel neigt beim Blick auf den ländlichen Raum aber nicht zur Resignation – denn „Die Kultur des Anpackens und der Eigenverantwortung ist auf dem Land stärker ausgeprägt“, ist Henkel überzeugt und wird durch die engagierten Bürger in der Gemeinde Farnstedt bestätigt. „Eigeninitiative statt Unterversorgung“ könnte auch in Farnstädt zur neuen Zielsetzung werden – wie bei weit mehr als 200 Dorfladen-Gründungen in den letzten Jahren in ganz Deutschland.

Im Heimat- und Kulturverein Farnstädt e.V. hat sich eine Interessengruppe gebildet, die sich für den Aufbau eines Dorfladens engagiert. Die Gruppe wandte sich mit einer umfassenden Darstellung an die „Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden“ (BmD) und bat um Unterstützung. Damit die Gemeinde ohne Laden eben nicht zum toten Dorf wird, wollen sich die Bürger entsprechend engagieren. Möglicherweise soll die ehemalige Kaufhalle reaktiviert werden – „von Bürgern für Bürger“.

Aktuell ist eine Fragebogen-Aktion geplant und für Anfang 2018 ist eine Informations- veranstaltung für die Einwohner vorgesehen. In der jetzt beginnenden Informations- und Gründungsphase wird die Interessengruppe auf die vielfältigen Erfahrungen des Dorfladen-Netzwerkes und der Bundesvereinigung zurückgreifen können – um dann sorgfältig Chancen und Risiken abwägen zu können.

Zusätzlich ist aber die Unterstützung des Staates – von Kommune, vom Landkreis und Land und noch stärker als bisher vom Bund erforderlich, damit Dörfer wie Farnstädt und Alberstedt nicht abgehängt werden.

Günter Lühning, Vorsitzender der Dorfladen-Bundesvereinigung