DVS-Workshop: Mit Gemeinschaftssinn Schritt für Schritt zum Bürger-Dorfladen

Wolfgang Gröll beim DVS-Workshop in Verden

Wolfgang Gröll beim DVS-Workshop in Verden

78 interessierte Teilnehmer aus elf Bundesländern kamen Mitte Dezember zum zweitägigen Workshop „Nah und gut versorgt“, der von der Deutschen Vernetzungsstelle Ländlicher Raum (DVS) und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) organisiert wurde, nach Verden und besichtigten am ersten Tag den „Dorfladen mit Café – von Bürgern für Bürger“ in Otersen. „Wenn sich die Menschen im ländlichen Raum einig sind, ihren Laden unterstützen und Bürgerengagement mit Professionalität paaren, dann können Dorfläden auch in kleinen Orten erfolgreich sein und die Lebensbedingungen positiv beeinflussen“, betonte später Wolfgang Gröll, auf den Lebensmittel-Einzelhandel spezialisierter Unternehmensberater aus dem bayerischen Starnberg.Im Verdener Hotel „Niedersachsenhof“ stellte Winfried Eberhardt vom Thünen-Institut in Braunschweig Ergebnisse eines Forschungsprojektes zur Nahversorgung im ländlichen Raum vor.

Wolfgang Gröll und Otersens Dorfladen-Vorsitzender Günter Lühning stellten die Vielfalt von Dorfladen-Organisationen zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Norden und Bayern und Sachsen im Süden vor. Oftmals engagieren sich die Gemeinde und ihre Bürger gemeinschaftlich, um die Nahversorgung und die Lebensqualität vor Ort zu erhalten. Zu den zehn Referenten zählte in Verden auch die Berliner Buchautorin Kristina Pezzei, die aktuell das Buch „Verkaufen können wir selber – Wie sich Landmenschen ihren Laden zurück ins Dorf holen“ veröffentlicht. Die Buchautorin hat zwei Dutzend Dorfläden zwischen Niedersachsen und Bayern sowie zwischen Westfalen und der brandenburgisch-polnischen Grenze besucht, darunter auch den seit 2001 von Bürgern geführten Dorfladen in Otersen.

Der Dorfladen Otersen war dann auch das Ziel einer Exkursion aller 78 Teilnehmer, darunter zahlreiche Bürgermeister und engagierte Bürger, die konkret einen Dorfladen planen. Zu den Besuchern in Otersen gehörten aber auch Dorferneuerungsplaner, Kommunalberater und Regionalmanager von EU-Förderregionen.

78 Teilnehmer des DVS-Workshops besichtigten den Dorfladen Otersen

78 Teilnehmer des DVS-Workshops besichtigten den Dorfladen Otersen

Kaffeepause für 78 Teilnehmer im AllerCafé und im Dorfladen

Kaffeepause für 78 Teilnehmer im AllerCafé und im Dorfladen

Aufgeteilt in drei Gruppen lernten die Gäste den Dorfladen und das DorfCafé kennen. Edith Pape und Dieter Bergstedt besichtigten mit den Gästen die 180 qm große Verkaufsfläche. Im kleinen DorfCafé berichteten Inka Prigge-Wursthorn und Ilse Priemke über die vielfältigen Aktivitäten rund um AllerCafé, in dem dörfliche Kultur, Mehrgenerationen-Angebote und Kaffee-Spezialitäten für Rad-Touristen verbunden werden. Im AllerCafé hielten Mitarbeiterin Petra Hünecke-Zarbock und Günter Lühning einen Kurzvortrag und beantworteten viele Fragen. Nach einer Kaffeepause im AllerCafé wurde der Workshop im Verdener Niedersachsenhof fortgesetzt.

"Volles Haus" auf 180 qm Verkaufsfläche im Dorfladen Otersen

"Volles Haus" auf 180 qm Verkaufsfläche im Dorfladen Otersen

Nach dem Vortrag von Günter Lühning „Eigeninitiative statt Unterversorgung“ zur Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagement für Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit im ländlichen Raum, ging es um die Wahl der richtigen Rechtsform für Bürger-Dorfläden. Matthias Fiedler, Vorsitzender des Zentralverbandes der Konsumgenossenschaften (ZdK) in Hamburg empfahl die Genossenschaft oder den wirtschaftlichen Verein und berichtete über die Bemühungen auf Bundesebene, mit der Kooperativgesellschaft eine Art Mini-Genossenschaft ohne jährliche Prüfungskosten zu erreichen.

Klaus-Dieter Karweik vom Verdener Amt für Landentwicklung  (LGLN) referierte über die staatliche Förderung und Zuschüsse aus EU-Programmen für den ländlichen Raum. Karweik empfahl die Erarbeitung tragfähiger Konzepte und die rechtzeitige Einbindung der zuständigen Ämter.

„Wir brauchen zur Bewältigung des demografischen Wandels

Freiraum für kreative Köpfe, die anpacken und etwas verändern wollen“,

zitierte Klaus-Dieter Karweik Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Kirchlintelns Bürgermeister Wolfgang Rodewald referierte über Zuschüsse der Gemeinde, die für EU-Förderungen notwendigen kommunalen Kofinanzierungen und das Bestreben, mit bürgerschaftlichem Engagement die Einwohnerentwicklung positiv zu gestalten.

Am ersten Tag des 2-tägigen DVS-Workshops im niedersächsischen Verden trafen die Referenten Wolfgang Gröll (Starnberg), Matthias Fiedler vom ZdK in Hamburg, Klaus-Dieter Karweik vom Amt für Landentwicklung, Kirchlintelns Bürgermeister Wolfgang Rodewald (von links) und Günter Lühning (rechts) mit dem Wirtschafts- und Kommunalberater Dr. Manfred Steinröx aus Hamburg (2.v.r.) zusammen.

Am ersten Tag des 2-tägigen DVS-Workshops im niedersächsischen Verden trafen die Referenten Wolfgang Gröll (Starnberg), Matthias Fiedler vom ZdK in Hamburg, Klaus-Dieter Karweik vom Amt für Landentwicklung, Kirchlintelns Bürgermeister Wolfgang Rodewald (von links) und Günter Lühning (rechts) mit dem Wirtschafts- und Kommunalberater Dr. Manfred Steinröx aus Hamburg (2.v.r.) zusammen.

Drei Workshops standen im Mittelpunkt des zweiten Tages. Aus Schleswig-Holstein wurde über einen MarktTreff zur Nahversorgung gleich neben dem Dorfgemeinschaftshaus berichtet, aus Süd-Niedersachsen wurde ein Mitglieder-Bioladen vorgestellt und Bürgermeister Dieter Möhring stellte den Dorfladen mit Mehrgenerationen-Werkstatt im unterfränkischen Aidhausen vor.

Unternehmensberater Wolfgang Gröll aus Starnberg stellte in einem kurzweiligen, zweistündigen Fachvortrag Schritt für Schritt die Gründung von Bürger-Dorfläden von der ersten Bürgerversammlung, über die Machbarkeitsstudie bis hin zur Eröffnung vor. „Die Zukunft des Lebensmittel-Einzelhandels auf dem Lande liege im komprimierten Kleinflächen-Management mit Einzelhandel, Service, Dienstleistungen und sozialen und kulturellen Angeboten“, betonte Wolfgang Gröll. Mit Regionalität, der Herkunft guter Lebensmittel, einem ausgewogenem Sortiment gepaart mit der Herzlichkeit engagierter Mitarbeiterinnen und unterstützt durch ehrenamtliches Bürger-Engagement können sich auch kleine Dörfer Nahversorgung und Lebensqualität sichern, betonte der Unternehmensberater aus Bayern, der weit über 100 Dorfläden erfolgreich beraten hat und zunehmend bundesweit sehr gefragt ist. Dorfladen-Mitarbeiterinnen verkaufen nicht nur Lebensmittel, sondern Menschlichkeit und wenn die Einwohner den Wert eines Dorfladens zu schätzen wissen und sich aus „Liebe zur Heimat“ gemeinsam für den Dorfladen engagieren, dann könne der Dorfladen in einem 270 Einwohner zählenden Dorf möglicherweise erfolgreicher geführt werden, als in einem Dorf mit mehreren tausend Einwohnern, wenn dort der Gemeinschaftssinn nicht so stark ausgeprägt sei. Die Menschen haben es also selbst in der Hand.

Zum Abschluss des zweitägigen Workshops äußerten sich die 78 Teilnehmer durchweg sehr positiv und lobten die Veranstalter von DVS und BLE für die gute Organisation.

Mehrfach wurde der Wunsch nach instituioneller Unterstützung bei Gründung und Betrieb von Bürger-Dorfläden geäußert. In Süddeutschland seien die Angebote (Seminare und Erfa-Runden) der Schule für Landentwicklung Thierhaupten vorbildlich und auch die „Tage der Nahversorgung“ wurde positiv hervorgehoben. Für Norddeutschland wurden Verbesserungen gewünscht. Wolfgang Kleine-Limberg vom Büro Mensch & Region aus Hannover empfahl dazu eine Weiterentwicklung des Dorfladen-Netzwerkes und den Dorfladen Otersen mitten in Niedersachsen, wo aktuell eine Wissenstransferstelle zu den Themen Nahversorgung und Dorf- und Landentwicklung entstanden sei.

 

 

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