Immer mehr Einwohner im ländlichen Raum nehmen das Schicksal ihres Heimatdorfes selbst in die Hand und machen sich auf den Weg, um die Zukunft des Dorfes und damit die eigene Lebensqualität positiv zu gestalten. Als Referent war Günter Lühning als Sprecher des Dorfladen-Netzwerkes jetzt zu Gast in Oerrel in der Südheide, zwischen Gifhorn und Uelzen in Niedersachsen und hat dort im vollbesetzten Saal vor (geschätzt) 140 Bürgern einen Vortrag zum Thema positive Dorfentwicklung durch gemeinsames, bürgerschaftliches Engagement gehalten. Präsentiert hat er dabei auch die „Formel für den Wandel“, die ihm Ende November bei einem Experten-Workshop in Berlin bekannt geworden ist. So wie dem Dorf Oerrel geht es vielen Dörfern in ganz Deutschland: die Dorfschule hat schon vor vielen Jahrzehnten geschlossen, vor rund zehn Jahren schloss das letzte Lebensmittelgeschäft und jetzt hat auch das traditionsreiche Dorf-Gasthaus „Zur Heidequelle“ in Oerrel geschlossen. Da fehlt dann plötzlich neben ausreichender Nahversorgung auch ein Treffpunkt für die knapp 500 Dorf-Einwohner und natürlich Lebensqualität. Aber: Oerrel hat einen besonderen Schatz! Das Vereinsleben ist intakt und die Dorfgemeinschaft auch. Vertreter aller Vereine, Organisationen und Gruppen im Dorf Oerrel (Sportverein, Feuerwehr, Schützenverein, Landfrauen und Junge Leute ….) haben sich zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen mit dem Ziel, die Lebensqualität im Dorf für alle Generationen zu verbessern. Damit war der 1. wichtige Schritt getan. Vertreter dieser Arbeitsgruppe unternahmen Mitte Januar einen Ausflug ins Bundes-Golddorf Otersen, um sich vor Ort bei uns darüber zu informieren, was Bürger-Engagement bezüglich einer positiven Dorfentwicklung und der Zukunftsfähigkeit im ländlichen Raum bewegen kann. Die Probleme im ländlichen Raum und deren Lösung durch Bürger-Engagement standen im Mittelpunkt des einstündigen Vortrages von Günter Lühning.
Versammlungsleiter Joachim Drangmeisster brachte es in Oerrel gleich zu Beginn der hervorragend besuchten Bürgerversammlung auf den Punkt: „Wenn wir ein Risiko eingehen, dann können wir verlieren. Wenn wir nichts tun, dann haben wir schon verloren„. In Oerrel ist der Kauf des Dorfgasthauses durch einen neu zu gründenden Verein für weniger als 60.000 € und der Umbau und die Umnutzung der großen Immobilie mitten im Dorfzentrum für Gesamtkosten in Höhe von rund 400.000 € geplant. Dieses Investitionsvorhaben ist dann ähnlich groß und ehrgeizig, wie das Projekt „Neuer Dorfladen, neues Mehrgenerationen-Dorfcafe mit vermieteter Wohnung im Dachgeschoß“ in Otersen. Über das Konzept und dieErfahrungen mit so einem ehrgeizigen Dorf-Projekt referierte Günter Lühning im niedersächsischen Dorf Oerrel. In Oerrel ist ein neues „Dorfzentrum mit Dorfgemeinschaftshaus mit Café, Senioren-Betreuung und Kiosk oder Mini-Dorfladen“ angedacht.
In seinem Vortrag berichtete Günter Lühning auch über die Formel des Wandels, für ihn eine Art „Zukunftsformel für Dörfer“. Die Formel „U x V x F > W“ wurde beim Experten-Workshop zur Zukunft der Dörfer am 29.11.2012 in Berlin bekannt. Der Buchstabe U steht dabei für die Unzufriedenheit, für den Leidensdruck. V steht für die Vision, also für ein attraktives Bild der Zukunft und F ist der Fahrplan mit ersten Schritten in Richtung des angestrebten Wandels. Diese 3 Voraussetzungen (UxVxF) müssen größer sein als W und W steht für den Widerstand, für den „innenren Schweinehund“, den es zu überwinden gilt. Immer wenn Bürger innovative, zukunftsweisende Vorschläge formulieren, wird es in jedem Dorf mehrere Bürger geben, die gleich wissen, „das sowas nicht funktionieren kann“. Es ist eben einfacher, Kritik zu formulieren und Widerstand auszuüben, als gemeinsam nach dem richtigen Weg zu suchen, um das angestrebte innovative Ziel zu erreichen und ein Zukunftsprojekt realisieren zu können, betonte Lühning. Der Bürgerschaft eines Dorfes ist zu empfehlen, sich gemeinsam auf den Weg zu machen, Chancen und Risiken sorgfältig abzuwägen und dann gemeinsam am gleichen Strick (in die gleiche Richtung) zu ziehen, um die Zukunft und Lebensqualität im eigenen Dorf positiv gestalten zu können.
In Oerrel wollen sich die Bürger auf den Weg machen …. am 9. März 2013 werden die Bürger entsprechend einer Empfehlung von Günter Lühning einen Tagesausflug in zwei Dörfer des Landkreises Herzogtum Lauenburg unternehmen. In Gülzow wird der MarktTreff (eine Mischung aus kleinem SuperMarkt und DorfTreff) besucht. Ein gutes Modell ist im 700 Einwohner zählenden Dorf Koberg auch der dortige Kulturhof mit dem 45 qm großen Mini-Dorfladen (Backshop mit Lebensmittel-Angebot). In Koberg wurden also Dorfgemeinschaftshaus, Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen und die Nahversorgung kombiniert. In Oerrel wurden beide Projekte in Gülzow und Koberg kurz vorgestellt.
Zum Schluss seines Vortrages hat Günter Lühning die Zuhörer im vollbesetzten Saal mit einem „selbst-gemachten“ Verkehrsschild an einer Wege-Gabelung konfrontiert und die Bürger vor die Wahl gestellt:
links abbiegen >>> in Richtung Unterversorgung und Verödung im Ortskern
rechts abbiegen >>> in Richtung Lebensqualität Nah und gut versorgt