Backshop im Dorfladen – obwohl es noch einen Bäcker im Dorf gibt? Ja!

BackshopWo kaufen die Dorf-Einwohner ihre Backwaren, wenn es im Dorf kein Lebensmittelgeschäft, wohl aber noch eine Bäckerei-Filiale gibt? Sollte ein neuer Bürger-Dorfladen bei der Sortimentsplanung ganz auf Backwaren verzichten, wenn es noch Bäcker vor Ort gibt?Um Antworten auf diese Fragen zu entwickeln hat das Dorfladen-Netzwerk zwei Bürgerbefragungen in zwei niedersächsischen Gemeinden aus dem Jahr 2013 hinsichtlich der Thematik „Backwaren-Einkauf“ ausgewertet. Über 400 Haushalte hatten sich in den beiden Gemeinden an der schriftlichen Bürgerbefragung beteiligt und hatten die Frage „Wo kaufen Sie überwiegend Ihre Backwaren ein?“ beantwortet.

In der 1. Gemeinde (hier „Dorf A“ genannt) gab es bis 2008 eine ortsansässige Bäckerei, die ganztags ab 6 Uhr geöffnet hatte. 2009 zog dann eine Bäckerei-Filiale in die Räumlichkeiten des Bäckers. Dieser Filialbetrieb hat aber nur vormittags von 6.00 bis 12.00 Uhr geöffnet. 2013 gab es für 9 Monate noch einen Filial-Bäcker im „Dorf A“, der ebenfalls nur Vormittags geöffnet hatte, sich aber damit nicht etablieren konnte.  2012 schloss das letzte Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft im Dorf A, so dass die Einwohner den Einkauf der Artikel des täglichen Bedarfs noch stärker als bisher schon in Supermärkten und bei den Discountern in den nächst größteren Orten und der nahen Stadt erledigen müssen.

Die jetzt durchgeführte Bürgerbefragung, an der sich 262 Haushalte und damit über 60 % aller in der Gemeinde („Dorf A“) ansässigen Privathaushalte beteiligten, gab nun Auskunft zum Backwaren-Einkauf. Das Umfrageergebnis bestätigte die Annahme, das auch die Backwaren überwiegend „außerhalb“ und nicht im Dorf gekauft werden, wenn das letzte Lebensmittelgeschäft im Dorf geschlossen und der Lebensmittel-Einkauf an anderen Orten erfolgt. Nur 42 % der Befragten gaben an, Backwaren beim Bäcker vor Ort zu kaufen. Knapp 34 % der Befragten kaufen die Backwaren im Supermarkt oder beim Discounter außerhalb des eigenen Dorfes ein – dort wo sie mangels eines Dorfladens vor Ort auch 100 % ihrer Grundnahrungsmittel einkaufen. Über 15 % kaufen Backwaren bei anderen Bäckern „außerhalb“ des eigenen Wohnortes. Nur knapp 5 % nutzen die mobilen Bäckerwagen im Ort. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Nahversorgungs-Funktion mobiler Verkaufswagen oftmals überschätzt wird. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass

  • insg.  47 % Backwaren am Wohnort (42 % in der vormittags geöffneten Bäckerfiliale, 5 % am Bäckerwagen)
  • insg. aber 53 % Backwaren außerhalb des Wohnortes kaufen.

In einer anderen niedersächsischen Gemeinde – hier „Dorf B“ genannt – schloss der letzte Lebensmittelhändler ebenfalls 2012, aber es gibt noch 2 örtliche Bäcker und eine Bäckerei-Filiale.

Backwaren-Einkauf_Wo - ohne Dorfladen - aber mit Baecker vor Ort

Im „Dorf B“ ist

  • das Backwaren-Angebot offenbar vielfältiger
  • und die Geschäftszeiten in den 3 Backwaren-Verkaufsstellen sind noch nicht eingeschränkt

Aus diesem Grund kaufen im „Dorf B“ 59 % (statt 42 % in Dorf A) der Haushalte Backwaren bei den örtlichen Bäckern.Zu knapp 40 % werden die Backwaren aber auch im Dorf B (trotz der 3 örtlichen Anbieter) „außerhalb“ eingekauft – bei den Supermärkten und Discountern im nächste größeren Ort – also dort, wo der Lebensmittel-Einkauf erfolgt.

Neue Bürger-Dorfläden sollten Gespräche mit den örtlichen Backwaren-Anbietern führen und – da wo es passt – Kooperationen anstreben. Neue Dorfläden sollten bei ihrer Sortimentsgestaltung aus falsch verstandener Rücksichtnahme nicht auf Backwaren im Sortiment verzichten. Da kleine Lebensmitteleinzelhändler (Dorfläden) als letzte Nahversorger im Dorf mit in der Regel 1.500 bis 3.000 Artikeln in den Regalen meistens 15 bis 25 % der Lebensmittel-Kaufkraft binden, stellen 40 bis 50 % Anteil am gesamten Backwaren-Umsatzes eines Dorfes (der oftmals nach „außerhalb“ fließt) ein ausreichendes Umsatz-Potenzial dar. Dieses Potenzial von 40 – 50 % sollte, zu einem angemessenen Teil, „ins Dorf zurückgeholt werden“.

Die Ergebnisse der beiden Bürgerbefragungen zeigen aber auch deutlich:

Je besser das Angebot im Dorf ist

desto mehr Kaufkraft kann im eigenen Dorf gebunden werden

Neue Dorfläden sollten also nicht in erster Linie als „Konkurrenz“ zum Bäcker oder Fleischer vor Ort betrachtet werden. Die wirkliche Konkurrenz des örtlichen Bäckers oder Fleischers bzw. Metzgers ist ohne „außerhalb“ unter dem Dach der großen Supermärkte oder Discounter zu finden.

Vielmehr ergänzen Sie das Angebot vor Ort, verbessern die Nahversorgung vor Ort und helfen, Kaufkraft am Wohnort zu binden – also nicht nach „außerhalb“ abfließen zu lassen.

Als in Steinheim, einem Ortsteil von Memmingen der Schlecker-Markt als letzter Nahversorger im Ort schloss, stellte der örtliche Fleischermeister einen Umsatz-Einbruch um 25 % fest, weil weitere Kaufkraft nach außen abfloss. Der Fleischermeister machte mit den früheren Schlecker-Mitarbeiterinnen gemeinsame Sache, gründete ein Lebensmittelgeschäft als Dorfladen und ließ diesen von den vier durch die Schlecker-Pleite arbeitslos gewordenen Frauen betreiben. Mit der Dorfladen-Gründung sicherte der Fleischermeister auch den Umsatz für sein eigenes Fachgeschäft – und die Einwohner im Dorf sind zufrieden.

 

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