Dedinghausen: Dorfladen statt „DORV“

In vielen Dörfern mehrerer Bundesländer stehen neue Bürger-Dorfläden in den Startlöchern – in Dedinghausen (NRW) ebenso wie in Adelsheidsdorf, Leese oder Rhade in Niedersachsen. In Dedinghausen bei Lippstadt (NRW) sollte am 22.11.2013 mit der Gründungsversammlung ein neuer Dorfladen aus der Taufe gehoben werden. Gerade mal drei Wochen vor der entscheidenden Gründungsversammlung in Dedinghausen meldete nur 35 Kilometer weiter südwestlich von Dedinghausen der von Bürgern gegründete DORV-Laden in Völlinghausen Insolvenz an. Verunsicherte die DORV-Insolvenz in Völlinghausen die Bürger in Dedinghausen? Würden nach dieser Hiobsbotschaft noch ausreichend Einwohner genügend Eigenkapital-Anteile zeichnen und Geld für den neuen Dorfladen Dedinghausen einbringen? Diese Fragen wurden am 22.11.2013 beantwortet – eindrucksvoll.Während in Völlinghausen der DORV-Laden wohl schließen wird, konnte in Dedinghausen ein Dorfladen neu gegründet werden – trotz der schlechten Nachrichten rund um “DORV” *1) in NRW. 170 Anteile zu je 250 Euro wurden schon zur Gründungsveranstaltung am 22. November 2013 in Dedinghausen gezeichnet. Die Dorfladen-Neugründung in Dedinghausen kann also von Beginn an mit einer beeindruckenden Eigenkapital-Summe von 42.500 € starten.

Auf die Frage: „Warum gründen Sie in Dedinghausen einen Dorfladen, während der “DORV”-Laden in Völlinghausen Insolvenz anmeldet und aller Wahrscheinlichkeit nach auch schließen wird?“ erhielten wir folgende Antworten:

„Wir werden den Fehler nicht machen und irgend ein Konzept von außen wie DORV kaufen,  sondern wir stellen unser Konzept auf unsere Bedürfnisse ab – und nicht auf die Bedürfnisse einer anderen Ortschaft, die wir nicht einmal kennen“.

*1) Die 4 Groß-Buchstaben “DORV” stehen nicht für “Double outlet right ventricle (DORV)” als angeborene Fehlbildung des Herzens (Quelle: wikipedia)

sondern im Zusammenhang mit der Sicherung der Nahversorgung für

  • Dienstleistungen und Ortsnahe Rundum-Versorgung

DORV gilt in NRW als Modellprojekt. Von den DORV-Gründern (www.dorv.de) in Jülich-Barmen wird ein 5 Säulen-Modell propagiert und Wert darauf gelegt, das DORV kein normaler Dorfladen sei.

Auch ohne die vier Großbuchstaben DORV werden auch die Dorfladen-Gründer in Dedinghausen auf ein umfassendes Dienstleistungsangebot setzen, aber auf Dedinghausen abgestimmt. „Unser Laden wird nicht nur Lebensmittel anbieten, sondern auch ein umfangreiches regionales Sortiment. Bis hin zu Kunstgegenständen.“ Insgesamt arbeiten im Arbeitskreis 45 Personen mit, um so auch das eigene Konzept auf die Beine stellen zu können. Das erkennen auch die Bürger und haben spontan sofort 170 Anteile erworben. Der erste Schritt in Richtung eines erfolgreichen Dorfladen Dedinghausen ist somit getan.

03_Dorfladen-Mitarbeiterinnen Silke Brandt und Brigitte Thom (v.r.) begrüssten 15 Gäste aus Dedinghausen in Westfalen_web

Am 23. März hatten 15 Einwohner aus Dedinghausen die Wissenstransferstelle im 2000 gegründeten Dorfladen in Otersen bei Verden (Aller) in Niedersachsen besucht, sich dort umfassend informiert und auf der Rückfahrt im Bus einen Dorfladen-Arbeitskreis gegründet.

Dedinghausen3Am 29. Juni 2013 fand in Dedinghausen die ganztägige 2. Dorf-Konferenz statt. Weil dabei die Sicherung der Nahversorgung und die Vorbereitungen für eine Dorfladen-Gründung im Vordergrund stand, holten sich die Westfalen Ratgeber aus Bayern und Niedersachsen. Wolfgang Gröll aus Starnberg und Günter Lühning aus Otersen informierten die interessierten Einwohner offen und ehrlich über Chancen und Risiken von Bürger-Dorfläden.

Die Dedinghäuser haben sich jetzt mit der Gründung eines normalen “Dorfladen – von Bürgern für Bürger” eindrucksvoll für die Sicherung von Wohnort-naher Grundversorgung und Dienstleistungen “nach Dedinghäuser Art” entschieden. Das Dorfladen-Netzwerk wünscht den Dedinghäusern weiterhin viel Erfolg in der weiteren Gründungs- und Vorbereitungsphase und ab Neueröffnung, den wirtschaftlichen Erfolg, der für eine nachhaltige Sicherung der dörflichen Lebensqualität erforderlich ist.

Ob Nahversorgungs-Konzept mit vier oder fünf Säulen – ob “Dorfladen” (z.B. Otersen), “Ums Eck”-Dorfladen (z.B. Heising im Oberallgäu), “DORV-Zentrum” (Barmen, Völlinghausen – NRW), „Unser Laden“ (z.B. Welbergen in NRW) oder  “Dorflädle” (z.B. in Aidhausen, Bayern):

Dörfliche Nahversorger

  • benötigen kein einheitliches Logo
  • müssen sich nicht auf 4 Groß-Buchstaben verkürzen lassen

sondern

  • müssen “von Bürgern für Bürger” Dorf-individuell entwickelt und später Tag für Tag, Jahr für Jahr mit Leben erfüllt werden – und zwar von den Bürgern vor Ort

und

  • müssen das Kerngeschäft, den Lebensmittel-Einzelhandel zumindest nach dem Geschäftsprinzip “Auskömmlichkeit statt Gewinn-Maximierung” erfolgreich führen und öfter eine “schwarze Null” als “ein rotes Betriebsergebnis” schreiben.

Genau die letztgenannte Notwendigkeit eines nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg ist die “DORV-Mutter” in Jülich-Barmen bisher schuldig geblieben.

Bereits am 27. Juli 2013 haben wir ausführlich über einen Faktencheck und die Wirklichkeit von Gewinnen, Verlust und Bilanz-Daten von Dorfläden und DORV wie folgt berichtet:

  • Bei der DORV-Zentrum GmbH Jülich-Barmen, die laut Medienbericht vom 12. Juli 2013 „ordentliche Gewinne abwirft“  waren wir bei unserem Fakten-Check dann sehr überrascht von der Wirklichkeit. Laut Pflicht-Veröffentlichung im Bundesanzeiger erwirtschaftete DORV im Jahre 2011 einen Verlust von 10.777 € – allerdings nach einem Gewinn von 43.166 € in 2010. Der gesamte Verlustvortrag als saldiertes Ergebnis der letzten Jahre in Höhe von 82.000 € lässt auf eine nicht befriedigende Ertragslage über Jahre schließen. Folge dieser Verluste ist ein negatives Eigenkapital, also eine Überschuldung in Höhe von über 48.000 Euro (Vorjahr: 38.000 €) und damit negative 39 Prozent der Bilanzsumme.

Das Dorfladen-Netzwerk vertritt schon seit mehr als einem Jahrzehnt die These, dass ein Dorfladen immer und ausnahmslos auf die Region abgestimmt werden muss. Das Dorfladen-Netzwerk ist auch der Meinung, dass das CI (Corporate Idendity) niemals von einem Beratungsunternehmen erstellt werden darf, sondern stets von den Bürgern vor Ort entwickelt werden muss. Das verhindert eine moralische und/oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu irgendwelchen Beratungsunternehmen.

Fragt man bei den DORV-Akteuren in Völlinghausen nach, so wird genau dies von den Bürgern gegenüber den früheren Beratern aus Jülich-Barmen stark kritisiert. „Die von DORV Barmen waren dann nicht mehr da, als wir wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten und haben nicht auf uns Bürger gehört. Sie haben einfach ihr Ding durchgezogen.“ Mit erheblichen negativen Folgen – der Insolvenz-Anmeldung Ende Oktober 2013.

Deshalb raten wir als Dorfladen-Netzwerk, nur Beratungsunternehmen auszusuchen, die sich stringent an die Allgemeinen Richtlinien für Beratungsunternehmen halten, die von von der Schule für Dorf- und Landentwicklung aus Thierhaupten erarbeitet wurden.