Dialogpapier zur ländlichen Nahversorgung in Deutschland

Der 6-köpfige Vorstand des neuen Vereins „Die DORFbegegnungsLÄDEN in Deutschland e.V.“ hat in seiner jüngsten Online-Vorstandssitzung am 2.11.2020 das aktualisierte „Dialogpapier zur Sicherung und Förderung der Nahversorgung auf dem Lande“ einstimmig beschlossen. Damit wurde das Dialogpapier der Dorfladen-Bundesvereinigung aus August 2019 aktualisiert und fortgeschrieben. Im Dialogpapier fordern die sechs Vorstände: 1. die Beseitigung von klaren Benachteiligungen kleiner Lebensmittelgeschäfte, 2. eine geeignete, kostengünstige Rechtsform für bürgerschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen, 3. höhere Fördersätze und eine Gleichbehandlung mit Kultur- und Sportvereinen, 4. die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für bürgerschaftlich organsierte Dorfläden unter bestimmten Voraussetzungen, 5. eine Basis-Förderung oder Nahversorger-Prämie für den letzten Dorfladen im Ort – nach Vorbild von Voralberg und Südtirol. Dieses Dialogpapier wird ab sofort mit Bundesministerien in Berlin und mit den zuständigen Ministererien in den Bundesländern diskutiert.

„Bevor wir uns bei weiteren Fortschreibungen des Dialogpapiers konkret mit unseren Zukunfts-Visionen beschäftigen, wollen wir erst einmal die klaren Benachteiligungen für kleine Lebensmittelgeschäfte nicht nur anprangern, sondern baldmöglichst beseitigen“ waren sich die 6 Vorstandsmitgleider einig. 2 konkrete Beispiele:

  • kleine LEH-Geschäfte erhalten nur 1.200 € BAFA-Förderung für Energieberatungen, mittlere und große Geschäfte ab 10.000 € Stromkosten jährlich eine fünffache Förderung von 6.000 €
  • Investieren mittlere und große Supermärkte und Discounter in Energiesparmaßnahmen, können sie hohe BAFA-Zuschüsse beantragen. Investieren Dorfläden mit weniger als 15 KW Kälteleistung (etwa 25 lfd. Meter Kühlmöbel) gehen die „Kleinen“ bei Bundeszuschüssen seit 2019 vollständig leer aus.

Schon 2013 schrieben die CDU-/SPD-Regierungsparteien in ihrem damaligen Koalitionsvertrag fest, eine geeignete Rechtsform für kleine, bürgerschaftlich organisierte Unternehmen wie Bürger-Dorfläden schaffen zu wollen. Geschehen ist seitdem: Nichts! Hierzu erwartet die Dorfläden-Interessenvertretung endlich entsprechende Gesetze.

Bürgerläden werden dann eröffnet, wenn die großen Lebensmittel-Ketten sich aus den Dörfern verabschieden und kein Kaufmann bereit ist, einen Laden zu betreiben. Erst nach diesem Marktversagen setzt die Gegenbewegung ein und immer öfter heißt es in den Dörfern „Eigeninitiative statt Unterversorgung“. Bürgerläden werden oftmals mit Café gegründet, nachdem Bank, Sparkasse, Post und das letzte Gasthaus im Dorf schon geschlossen haben. Immer öfter sind die Selbsthilfeeinrichtungen namens Unser Laden, Lädle, Dorfladen oder MarktTreff der letzte Treffpunkt im Dorf. „Dorfläden bieten den Menschen unentgeltlich soziale Leistungen, menschliche Kontakte und dienen der Dorf-Kultur. Wir sind keine profitgetriebenen Kaufleute, sondern dienen der Allgemeinheit und sorgen für Lebensqualität“, betonte Vorstandsmitglied Peter Böhmer (Bayern). „Deshalb haben wir non profit-Dorfläden bei Einhaltung bestimmter Bedingungen auch die Anerkennung als gemeinnützige Vereine verdient“, betonte 1. Vorsitzender Günter Lühning (Niedersachsen). „Damit wäre uns Bürgerläden und damit der ländlichen Nahversorgung gleich zweifach geholfen:

  • 1. mit einem gemeinnützigen Verein e.V. hätten wir eine kostengünstige Rechtsform und
  • 2. bei Investitionen im Rahmen der Dorfentwicklung würden wir nicht mit profitablen Wirtschaftsunternehmen und Privaten (ca. 30 % Förderung), sondern mit gemeinnützigen Kultur- und Sportvereinen (60 bis 70 % Förderung) gleichgestellt.

„Wir Dorfläden „von Bürgern für Bürger“ erbringen in allen Bundesländern Leistungen für die Menschen, für die weder Cent noch Euro in der Kasse klingeln. Deshalb erreichen wir bestensfalls kleine Gewinne zur Rücklagen-Bildung (Ersatzinvestitionen), eine `schwarze Null´ oder bei weiter steigenden Kosten schnell auch Verluste. Für die Lebensqualität der Landbevölkerung und die zukunftsfähige Infrastruktur der Dorfregion sind diese nicht-profitablen Zusatz-Leistungen aber von besonderer Bedeutung“, betonen die 2. Vorsitzenden Anton Brand (Bayern) und Hermann Lastring (Nordrhein-Westfalen). „Neidisch blicken bundesdeutsche Nahversorger nach Voralberg in Österreich und Südtirol. Dort können die Dorfläden eine Basis-Förderung oder eine Nahversorger-Prämie bis jährlich 15.000 € bzw. 25.000 € in Anspruch nehmen, um alle Kosten decken zu können“, berichtete Vorstandsmitglied Michaela Mannel (Bayern).

„Wir benötigen ähnliche Förderungen und müssen darüber mit Bundesministerien und den zuständigen Stellen in den Bundesländern sprechen“, forderte Vorstandsmitglied und Ortsbürgermeister Alois Meyer (Rheinland-Pfalz) bei der Online-Vorstandssitzung. Während in Österreich durch die jährlichen Nahversorger-Prämien das Ladensterben erfolgreich gestoppt wurde, dreht sich in Deutschland die Negativ-Spirale weiter – insbesondere auf dem Lande:

„Um die Dorfladen-Familie in Deutschland zu stärken, werden wir künftig stärker Allianzen schmieden und Kooperationen eingehen“, verspricht 1. Vorsitzender Günter Lühning. 1. Erfolg: Die Ende Oktober gemeinsam mit der Agrarsozialen Gesellschaft ASG und dem Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften ZdK gestartete Veranstaltungsreihe mit 17 Online-Seminaren erfreut sich sehr großer Nachfrage.

Im neuen Dialogpapier wirbt der Verein „Die DORFbegegnungsLÄDEN in Deutschland e.V.“ auch für eine Stärkung der regionalen Wertschöpfung und hofft auf bessere Förderungen für Projekte wie „Dorfladen als Hofladen“ und die Vermarktung guter regionaler Lebensmittel. „Wir arbeiten hier an einer Kooperation und werden in Kürze Ergebnisse veröffentlichen“, versprechen die Vorstandsmitglieder Anton Brand und Peter Böhmer (beide aus Bayern).

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