„Dorfladen schreibt weiter rote Zahlen“

„Dorfladen schreibt weiter rote Zahlen“ – mit dieser Schlagzeile ist ein aktueller Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung (Sinsheim) vom 26.7.2014 überschrieben. Berichte, das bürgerschaftlich geführte Dorfläden „mit dem Rücken zur Wand stehen“, sind leider keine Seltenheit und gehören zur Dorfladen-Landschaft in Deutschland leider dazu. Anlass für eine kurze Analyse.Im aktuellen Pressebericht über Berwangen sind einige Zahlen enthalten, die wir kurz analysieren und bewerten bzw. vergleichen:

315.000 € Umsatz 2013 im 1.400 Einwohner-Dorf

In einem 1.400 Einwohner zählenden Dorf Berwangen sind das umgerechnet (315.000 € : 1.400 Einwohner) 225 €. Eine Journalistin aus Köln formulierte es in einem Bericht über einen Bürger-Dorfladen kürzlich so: „Es ist eine Wette auf den Gemeinsinn“ – soll heißen: „Die Bürger stimmen jeden Tag mit den Füßen ab, ob sie im Dorfladen vor Ort einkaufen und wie intensiv. Das Einkaufsverhalten der Einwohner in Berwangen ist im Vergleich zu anderen Bürger-Dorfläden noch verbesserungsfähig:

  • Ettenbeuren in Bayern (1.116 Einwohner, 420.000 € Umsatz) = 376 € Umsatz pro Einwohner
  • Welbergen im Münsterland -NRW- (1.275 Einwohner, 640.000 € Umsatz) = 502 € Umsatz pro Einwohner
  • Otersen in Niedersachsen (500 Einwohner, 370.000 € Umsatz 2013) = 734 € Umsatz pro Einwohner

73.000 € „Ertrag“ = Rohertrag

In Berwangen wurde bei 315.000 € Umsatz laut Pressebericht „ein Ertrag von rund 73.000 €“ erwirtschaftet. Damit ist wohl der Rohertrag, also das Ergebnis (Umsatz – Wareneinsatz) gemeint. Die Rohertragsquote in Berwagen beträgt somit 23,17 %. Das ist ein vergleichsweise sehr guter Wert, der Bedeutung des Rohertrages_der Handelsspanne auf das Betriebsergebnis_weboberhalb der Branchen-Durchschnittswerte liegt:

  • 22,8 % Rohertrags-Quote lt. Statistische Bundesamt in Wiesbaden
  • 20,3 % lt. Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandel (BVL)
  • 15 – 20 % Handelspannen-Bandbreite laut Bericht einer Erfa-Gruppe in Rheinland-Pfalz
  • 21 – 22 % Rohertrag in durchschnittlich erfolgreichen Dorfläden, die unserem Netzwerk gut bekannt sind.

Roherträge von mehr als 25 % sind nur erreichbar, wenn

  • Dorfläden sehr hohen Umsatz mit frischen Produkten oder regionalen Produkten erzielen
  • Dorfläden in Tourismus-Regionen hohe Wertschöpfung z.B. mit Warenveredelung oder im Café-Bereich erzielen.

Zum Thema Rohertrag haben wir hier in unserem Internetportal schon im November 2011 ausführlich berichtet: http://dorfladen-netzwerk.de/2011/11/20-22-rohertrag-im-dorfladen/

Weitere Maßnahmen um den Dorfladen Berwangen zu retten

  • „Verringerung Personalkosten“

Berichtet wird über die Entlassung einer Mitarbeiterin und den Einsatz ehrenamtlicher Verkäuferinnen. Die Höhe der Personalaufwendungen ist nicht bekannt.

  • „Strom- und Telefon-Anbieter gewechselt“

Energiekosten gefährden NahversorgungBerichtet wird über einen Wechsel des Strom- und Telefon-Anbieters. Jährliche Preisvergleiche sind empfehlenswert, insbesondere weil in einem Dorfladen die Energiekosten nach dem Wareneinkauf und den Personalkosten ein bedeutender Kostenfaktor ist. Über die Energiekosten haben wir schon im November 2012 umfassend berichtet. http://dorfladen-netzwerk.de/2012/11/energiekosten-gefahrden-nahversorgung-77-seit-2003/ Größter Energieverbraucher in einem Dorfladen sind die Kühl- und Tiefkühl-Einrichtungen, gefolgt von der Beleuchtung. Inzwischen sind LED-Leuchtmittel preislich so attraktiv, so dass eine Umstellung der Beleuchtung von herrkömmlichen Leuchtmitteln (z.B. NEON) auf LED-Beleuchtung wirtschaftlich sinnvoll erscheint.

  • Frische-Sortiment und Brötchen auch am Sonntag

BackshopDas Frische-Sortiment und der Backwaren-Bereich sind für die Attraktivität eines Dorfladens und damit auch für Umsatz und Ertrag von besonderer Bedeutung. In Berwangen wurden jetzt richtige Entscheidungen getroffen: Die Verbesserung im Sortiment Obst und Gemüse und der Verkauf von Brötchen künftig auch an jedem Sonntag von 8 bis 11 Uhr. Der Verkauf von Backwaren sollte von Beginn an

  • an 7 Tagen in der Woche, also auch an Sonntagen
  • möglichst früh ab 6.00 bzw. 6.30 Uhr an den Werktagen

erfolgen.

 

Dem Dorfladen in Berwangen wünscht unser Netzwerk viel Erfolg bei allen Maßnahmen, die ergriffen werden, um die nachhaltige Existenz des Dorfladens und die Lebensqualität für 1.400 Einwohner zu erhalten.

Der vollständige Bericht über den Dorfladen im 1.400 Einwohner zählenden Berwangen in Baden-Württemberg ist auch im Internet zu lesen: http://www.rnz.de/sinsheim/00_20140726060000_110722874-Kirchardt-Berwangen-Dorfladen-schreibt-weiter-.html

26.7.2014 Günter Lühning, Otersen

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